Tanzgrüße mit Geduld Tamas Detrich, Intendant vom Stuttgarter Ballett, gab bei einer Online-Pressekonferenz die jüngsten Pläne bekannt

Tamas Detrich und die Pläne

Gibt nicht auf: Tamas Detrich, Intendant vom Stuttgarter Ballett, bei der Online-Pressekonferenz der Staatstheater Stuttgart am 8.12.2020. Videostill: Gisela Sonnenburg

Ballettpläne mitten im Lockdown in Deutschland? Der Mann hat Mut! Aber Tamas Detrich, Intendant vom Stuttgarter Ballett, hatte nicht nur Pläne, sondern auch Absagen im Gepäck. Nun ist aber Ehrlichkeit ein hohes Gut, ebenso wie Einsicht in das Machbare – und dazu noch unzerbrechlich gute Laune! Bei einer Online-Pressekonferenz der Staatstheater Stuttgart gab Tamas Detrich soeben live bekannt, dass das Stuttgarter Ballett zwar glücklich ist, trotz der Corona-Pandemie in den Ballettsälen zu trainieren, aber: Die zwölf geplanten Vorstellungen der „Kameliendame“ von John Neumeier zu Beginn des kommenden Jahres müssen leider abgesagt werden. Es wäre ja auch zu schön gewesen! Neumeier ist laut Detrich enttäuscht und traurig, wie wohl viele der beteiligten Künstlerinnen und Künstler. Vom Publikum ganz zu schweigen. Aber wir alle wissen es: „Corona ist ein Dämon“, wie Detrich es sagt, also: Solange Tänzerinnen und Tänzer in Gefahr sind, wenn man aufwändige Dreistunden-Ballette aufführen will, ist es besser einzusehen, dass das momentan nicht zu verantworten ist. Tamas Detrich zeigt trotzdem zuversichtlich auf seinen roten Schal, den er vor über dreißig Jahren – 1987 – zur Premiere des Balletts „Dornröschen“ in der Version von Marcia Haydée eben von selbiger Grande Dame des Balletts als Toitoitoi-Geschenk bekam. „Ich bin positive Energie“, sagt der einstige Bühnenprinz und heutige Ballettchef und meint: Er wird nicht aufgeben. Gut so!

Immerhin kann das Stuttgarter Ballett auf acht kleine Uraufführungen in dieser Saison verweisen, und der auch vom Ballett-Journal gefeierte Online-Live-Stream mit „Angels and Demons“ (auf Deutsch nennt das Stuttgarter Ballett dieses Programm „Höhepunkte“ statt „Engel und Dämonen“) war ein voller Erfolg.

Ob nun in absehbarer Zeit kleine oder größere Online-Petitessen kommen werden, kam bei der PK (Pressekonferenz) nicht zur Sprache. Natürlich würde man sich über Advents- und Weihnachts-Highlights ebenso freuen wie über Silvester- und Neujahrsprogramme.

 Tamas Detrich und die Pläne

Es gab nicht. nur gute News vom Stuttgarter Ballett: Tamas Detrich bei der Online-PK im Dezember 2020. Videostill: Gisela Sonnenburg

Aber: Das Stuttgarter Ballett befindet sich in Kurzarbeit, und da reicht es zwar fürs tägliche Training und für ein paar Proben. Aber eine Neueinstudierung kleiner solistischer Arbeiten ist wohl derzeit zuviel verlangt. Schade eigentlich!

Dafür hat man bis letzte Woche tatsächlich noch versucht, das große Kult-Ballett „Die Kameliendame“ im Januar 21 auf die Bühne zu bringen.

Faktisch aber ist trotz Hygiene-Konzept das Risiko für die Tänzerinnen und Tänzer schlichtweg zu groß: Sie könnten Corona-Infektionen dabei zu leicht und zu oft weitergeben.

„Wir müssen abwarten, was das Ministerium im Januar sagt“, so Tamas Detrich. Er, der 1987 den strahlenden Prinzen in Haydées „Dornröschen“ tanzte (diese Spielzeit hätte dieses Ballett in eben dieser Version erstmals auch beim Staatsballett Berlin einstudiert werden sollen), scheint jetzt immer wieder mit den Tränen zu kämpfen.

Aber er bleibt tapfer. Wenn es möglich sein wird, im Februar aufzutreten, dann wird das Stuttgarter Ballett das tun, was es als Liebstes macht: „Tanzen, tanzen, tanzen!“ Das verspricht Detrich.

Geplant sind zunächst Vorstellungen von „Response II“ und eben „Höhepunkte“, das als „Angels and Demons“ eben erst premierte. Danach könnte „Response I“ auf den Spielplan zurückkehren, inklusive dem begehrten Maurice-Béjart-Ballett „Bolero“.

Apropos Béjart: Zwei Vorstellungen soll es im Sommer gemeinsam mit dem Béjart Ballet Lausanne geben. Dieses will ein Stück von Gil Roman zeigen, die Stuttgarter möchten die „Lieder eines fahrenden Gesellen“ beisteuern.

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Zudem soll es eine „Ballettwoche“ geben, also ein Festival, das Vorstellungen bündelt und am Stück präsentiert. Bravo!

Im Beethoven-Jubiläums-Jahr wird es auch dazu etwas geben, und ein Hölderlin-Ballett wurde im November 20 fast fertig kreiert. Detrich hofft, es im April 21 zeigen zu können.

Und dann „Onegin“! Im nächsten Jahr feiert das Stuttgarter Ballett sein 60-jähriges Bestehen. Nun ja, alle hatten sich das mal anders vorgestellt.

Aber die Hoffnung besteht, dass mit vielen tollen Vorstellungen gefeiert werden kann!

Schließlich gebe es „Licht am Ende des Tunnels“, wie Detrich mit explizitem Bezug auf Kanzlerin Angela Merkel sagt. Mit der kommenden Impfung würde sich die Situation verbessern – und: „Im Sommer wird es hoffentlich wunderbar sein.“ Wir hoffen mit.

Zu „Onegin“ wird uns dann in Stuttgart eine Überraschung erwarten: Jürgen Rose drängelte schon seit Jahren, man müsse das etwas schummrige Licht in diesem Meisterwerk von John Cranko nachbessern. Während der Intendanz von Reid Anderson war dazu aber nie Zeit.

Jetzt ist dafür Zeit! „Onegin“ wird also neu ausgeleuchtet, und das Tuning wird möglicherweise neue Stimmungen und atmosphärische Details mit sich bringen.

Außerdem werden auch Edward Clug und William Forsythe begeistern, vermutet Tamas Detrich: Von diesen beiden Choreografen plant er neue Einstudierungen.

Tamas Detrich und die Pläne

Tamas Detrich weiß, worauf die Ballettgemeinde wartet… Videostill von der Online-PK am 8.12.20: Gisela Sonnenburg

Von Forsythe soll das Stück „Black Works” („Schwarze Arbeiten“) erstmals in Deutschland aufgeführt werden. Es passt natürlich sehr gut zum aktuellen Trendthema „Black Lives Matter“.

Zum Abschluss der „Ballettwoche“ – die eine wirkliche Errungenschaft für Stuttgart wäre – plant Detrich zudem eine Gala.

Stars und die John Cranko Schule sollen dann gemeinsam mit dem Stuttgarter Ballett die vergangenen 60 Jahre feiern.

Und: Es soll einen neuen Workshop geben mit dem Motto: „55 plus“ – also Tanz für nicht mehr ganz junge Menschen, die Tamas Detrich somit in Bewegung bringen will.

Ob ihn dazu ein Foto meiner Wenigkeit inspiriert hat, ist unbekannt, aber nicht ganz ausgeschlossen. Schließlich prangt es seit einiger Zeit auf der Homepage vom Ballett-Journal und will genau das erreichen, was Tamas Detrich macht: Ballett als Bewegungskunst auch im Laien- und Semiprofi-Bereich für ältere Menschen propagieren.

Übrigens auch als Home Ballet, also im trauten Heim!

Also die Köpfe nicht hängen lassen, auf geht es in eine neue Ära!

Vielleicht zeitigt diese durch Corona erzwungene Vorstellungspause irgendwann ja auch ihr Gutes. Warten wir es bitte ab!

Dankeschön an Tamas Detrich für seine klaren Worte und seine hilfreiche Emotionalität, für seine Einsicht und Rücksichtnahme auf die Belange der Künstlerinnen und Künstler.

Ja, wir freuen uns darauf, dass es irgendwann weitergehen wird! Geduld ist doch eine unserer leichtesten Übungen im Ballett. Gisela Sonnenburg

 www.stuttgarter-ballett.de

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