Ein Jahr früher Neuigkeiten vom Staatsballett Berlin: Johannes Öhman löst Nacho Duato als Ballettintendant schon 2018 ab

Nacho Duato geht, Öhman kommt

Nacho Duato geht freiwillig: Er bat seinen neuen Dienstherrn, den Linke-Politiker Klaus Lederer, seinen gut dotierten Posten als Ballettintendant in Berlin ein Jahr früher als vorgesehen aufgeben zu dürfen. Foto: Gisela Sonnenburg

Die mainstreamige Presse freut sich, die Ballettkenner hingegen jammern: Johannes Öhman, Provinzballettchef aus Stockholm, wird den aktuellen Berliner Ballettintendanten Nacho Duato schon zur Spielzeit 2018/2019 ablösen. Damit wird das Staatsballett Berlin ein Jahr früher, als bislang angesagt, in schwedische Hände gehen. Öhman ist 49 und für den Job nach Meinung vieler nicht wirklich qualifiziert.

Nur damit keine Missverständnisse entstehen: Stockholm ist zwar die schwedische Hauptstadt, aber in Sachen Ballett gehört es definitiv nicht zu den bedeutenden Metropolen. Auch das schwedische Göteborg nicht – dort diente Öhman früher.

Sasha Waltz, die mit Ballett nun sowieso fast nichts am Hut hat (Tanztheater ist nicht Ballett), soll planungsgemäß 2019 zu Öhman stoßen und ihm die Hälfte der Intendanz abnehmen.

Sind das nicht rosige Aussichten?

Die ersten aufgeschnappten Reaktionen: „Wir werden das beobachten“, „Dann ist noch früher Schluss mit einem Staatsballett mit Niveau in Berlin“, „Berlins Ballett braucht aber eine andere Leitung, die sowohl mit klassischem als auch mit modernem Ballett gut umgehen kann.“ Tja.

Wir Besserwisser und Kassandren werden von der hohen Politik eben nicht erhört, im Gegenteil: Klaus Lederer (Die Linke), frisch gekürter Senator für Kultur und Europa in Berlin, ist stolz darauf, dass es einen nahtlosen Übergang nach Duatos verfrühtem Weggang geben wird.

Demonstrativ betont Lederers Pressemeldung denn auch, dass die Tänzerinnen und Tänzer vom Staatsballett Berlin zuerst – also immerhin einige Stunden vor der Presse – von dem Entscheid informiert wurden.

Nacho Duato geht, Öhman kommt

Klaus Lederer von der Linken ist Senator für Kultur und Europa in Berlin – und gut vertreten, wenn man seine Bilder googelt. Faksimile: Gisela Sonnenburg

Damit glaubt Lederer vermutlich, sich wohltuend von seinem Vorgänger, dem Staatssekretär für Kultur, Tim Renner, zu unterscheiden. Renner und der Regierende Bürgermeister Michael Müller (beide SPD) waren letztes Jahr heftig kritisiert worden, weil sie Waltz und Öhman als Doppelspitze bestellten und dieses erst auf einer Pressekonferenz bekannt gaben, ohne zuvor das Gespräch mit den Damen und Herren vom Ballett gesucht zu haben.

Nun sollte ein Gespräch aber nicht nur eine Mitteilung sein, sondern auch rechtzeitig die Fachmeinung der betroffenen Tänzer einholen. Das war jetzt offenbar auch unterblieben.

Dabei wäre wohl auch nicht viel Gegenwehr zu befürchten gewesen. Es gab zwar im September (www.ballett-journal.de/staatsballett-berlin-sasha-waltz-oehman/)  und Oktober 2016 (www.ballett-journal.de/staatsballett-berlin-duato-nussknacker/) reichlich Proteste: gegen die politische Entscheidung, die an eine kleine Tanztheatergruppe gewöhnte Sasha Waltz zur „Queen of ballet“ in Berlin zu krönen.

Immerhin hat das Staatsballett Berlin ja rund 80 klassisch erzogene Tänzer und einen Weltruf zu verteidigen. Aber der Widerstand gegen die Senatspläne wurde von seiten der Tänzer ohnehin bereits vor Monaten sang- und klanglos eingestellt.

Und Tanzfreunde, die den Unterschied zwischen Ballett und freiem Bühnentanz nicht so ganz verstehen, waren mit der Entscheidung ohnehin einverstanden.

Jetzt ist die Reizfigur Waltz erst mal aus der Schusslinie.

Nacho Duato geht, Öhman kommt

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Öhman, das Publikum und das Staatsballett sollen sich ein Jahr lang aneinander gewöhnen, bevor die Zwangsehe zu dritt komplettiert wird.

So gesehen, wirkt Lederer als mäßigender Vermittler.

Man könnte darum fast meinen, Lederer habe Duato von sich aus ersucht, schriftlich um seine Vertragsauflösung zu bitten. Denn billiger hätte sich der Politiker gar nicht selbst als Held hinstellen können.

Und schon bejubeln diensteifrige Kommentatoren die angebliche Möglichkeit eines „Neuanfang beim Staatsballett Berlin“.

Ja, die Möglichkeit zu einem vehement raschen Abstieg des Berliner Staatsballetts ist mit Öhman bestimmt gegeben.

Berlin, quo vadis?

Johannes Öhman, der ein mittelmäßiger Tänzer war und als Ballettboss bislang lediglich mit ein paar knalligen PR-Effekten beeindruckte, wird das Staatsballett Berlin wohl kaum wieder zu dem machen, was es unter Vladimir Malakhov einmal war und unter einem geeigneten Chef (wie etwa Xin Peng Wang) hätte sein können.

Laut Lederers Pressemitteilung ist Öhman allerdings „ein ausgezeichneter Kenner der internationalen Ballett- und Tanzszene und ist darin bestens vernetzt.“

Na, das bin ich auch! Das sind sogar viele!

Aber als Ballettchef sollte man gerade auch andere Dinge können. Man sollte wissen, wie man auf die Stärken einer Company praktisch eingeht und diese künstlerisch überhöhen kann. Man sollte sich mit Spielplänen auskennen, mit angrenzendem Kulturgut, mit anspruchsvoller Musik und theaterinteressanter Literatur vor allem. Man sollte machbare Ideen haben – und einen hervorragenden Geschmack bewiesen haben.

Vernetzung – die hat ja sogar den negativen Beigeschmack der Korruption in diesem Kontext.

Man sollte als Ballettchef zudem genau eines nicht sein: Mittelmaß.

Nacho Duato geht, Öhman kommt

Johannes Öhman: Retter in der Not für das Staatsballett Berlin? Eher wohl für einen Kultursenator, der von Ballett nichts versteht. Foto: Zeisberg

Ob Öhman, der das Mittelmaß nachgerade zu verkörpern scheint, aber überhaupt irgendeine Art von Niveau in Berlin hinbekommen wird, muss man stark bezweifeln – es sei denn, man kriecht als Kommentator oder auch Günstling der Kommerzpresse in so ziemlich jeden Hintern, der größer ist als der eigene.
Gisela Sonnenburg

P.S: Tim Renner hat es dank der Treue seiner Partei zu ihm soeben zum Bundestagswahlkandidaten gebracht. Bundestag! Ach! Davon träumt Klaus Lederer bestimmt auch. Da wird ihm so ein liederliches Staatsballett doch wohl nicht in die Quere kommen?!

www.staatsballett-berlin.de

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