Die pure Träumerei „Ein Sommernachtstraum“: Anthony Dowell brachte dem Semperoper Ballett „The Dream“ von Frederick Ashton – und David Dawson kreierte dazu „The Four Seasons“ zu Musik von Max Richter

"Ein Sommernachtstraum" lockt nach Dresden

Anna Merkulova und Denis Veginy als Dreamteam in „The Dream“ von Frederick Ashton beim Semperoper Ballett. Wunderschön! Foto: Ian Whalen

Es gibt in „The Dream“ von Frederick Ashton zwar kein Ballet blanc, kein weißes Ballett, aber eine luftige Ansammlung von blaugrünen, in Tüll gehüllten, überaus niedlichen Elfen. Sie eröffnen den Reigen zum neuen Ballettabend in Dresden mit dem Semperoper Ballett – und vom ersten Moment an spürt man, dass hier Großes geschieht. Sinnlich und ätherisch zugleich tanzt das weibliche Corps de ballet sich durch die Feenwelt, als sei diese der einzige denkbare Gegenentwurf zur schnöden Realität. „Ein Sommernachtstraum“ ist der Abend nach der lustvollen Komödie von William Shakespeare benannt. Und auch der zweite Teil, „The Four Seasons“, von David Dawson neu kreiert, berauscht sich am Flow des Menschen mit der Natur, spielt mit den Formen des Vergänglichen und der Gegenwart. Ein Ballettabend zum Weiterträumen – und unbedingt auch zum mehrfachen Ansehen.

Das Dirigat von Benjamin Pope ist dabei von Klarheit und fast gestrenger Majestät gekennzeichnet. Die etwas süßliche Musik des viel zu jung verstorbenen Romantikers Felix Mendelssohn Bartholdy für den „Sommernachtstraum“ verliert so an Schwulst, wird fasslich und kristallin, gewinnt dadurch auch an emotionaler Tiefe statt an oberflächlichem Aktionismus.

Das Semperoper Ballett steht dem in nichts nach, im Gegenteil: Es erweist sich dem superben Stil nach als eine Ashton-Truppe par excellance. Es ist die pure Träumerei, da zuzusehen – einfach fabelhaft. Kein Wunder: Anthony Dowell, der 1964 in der Rolle des Elfenkönigs Oberon mit Frederick Ashton dessen „Traum“ in London kreierte, war angereist, um das empfindsame Stück, das voll von Virtuositäten steckt und von turbulentem tänzerischen Slapstick lebt, in Dresden einzustudieren. Dowell ist nicht nur eine lebende Legende, gilt er doch als bedeutendster britischer Ballerino aller Zeiten. Er ist auch eine starke Persönlichkeit mit jenem Flair, das aus Tänzerinnen und Tänzern ohne schädlichen Druck das Beste herauszuholen vermag.

Außerdem hat Dowell zum „Dream“, den er schon nahezu überall in der Ballettwelt gecoacht hat, aus mehreren Gründen eine besondere Beziehung: Zum Einen war Oberon seine erste große Solo-Partie, als er noch blutjunger Tänzer am Royal Ballet in London war, und mit „The Dream“ begann auch seine Bühnenpartnerschaft mit Antoinette Sibley. Zum Anderen erbte er vom Choreografen Ashton bei dessen Tod 1988 die Aufführungslizenz für „The Dream“. Es ist also in der Tat „sein“ Stück, das Stück seines Lebens, wenn man so will.

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Anthony Dowell ist auch bei Google kein Unbekannter! In seinen Augen glänzt übrigens auch heute noch das Feuer, das ihn als Tänzer einst berühmt gemacht hat. Faksimile: Gisela Sonnenburg

Oberon ist hierin die handlungstreibende Kraft. Ashton ließ die Rahmenhandlung des Dramas, die am Hofe des griechischen Herzogs Theseus spielt, einfach entfallen – und konzentrierte sich auf die Vorgänge im Elfenwald, in den sich zwei Pärchen und eine Truppe Handwerker in einer Vollmondnacht einfinden.

Doch zu Beginn steht der zauberhafte Tanz der hier rein weiblichen Elfen – und der Streit des Herrscherpaares Oberon und Titania.

Wie bei Shakespeare dreht sich der folgenreiche Ehekrach hier um einen indischen Jungen, mit „indischer Wechselbalg“ als ziemlich rechtloses Menschlein tituliert. Alexander Bräuninger spielt diese kleine Rolle recht beachtlich, ohne falsche Scheu, aber auch ohne zuviel Geltungsdrang.

Titania hat sich das Kind zum Begleiter auserkoren, aber Oberon beansprucht den Knaben für sich.

Man muss nun vermuten, dass es bei der Absicht Oberons, den Jungen in seine Obhut zu nehmen, nicht nur um pädagogische, sondern auch um pädophile Gelüste geht. Nicht umsonst wird das Kind als sozial bedeutungsloser „Wechselbalg“ dargestellt, und seine „indische“ Herkunft steht hier für eine erotisch gemeinte ausländische Attraktivität. Zudem siedelte Shakespeare das Stück, das wenige Jahre vor 1600 entstand, nicht in seiner englischen Gegenwart an. Sondern er verlegte es absichtlich ins ferne, antik inspirierte Athen, nach Griechenland, dorthin, wo das christliche Abendland den Ursprung der organisierten Homosexualität vermutete.

Man sieht, was für ein langer Kampf es kulturgeschichtlich war, bis auch armen Kindern das Recht auf sexuelle Unversehrtheit zugebilligt wurde. Seither ist die Sache mit dem Lustknaben im „Sommernachtstraum“ problematisch geworden.

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Bravostürme für die Künstler nach „The Dream“ in der Semperoper am 10.03.2018. Was für eine gelungene Vorstellung! Foto vom Schlussapplaus: Gisela Sonnenburg

Natürlich hat der vornehme britische Ashton das nicht so – schon gar nicht deutlich in dieser Richtung – choreografiert.

Aber Shakespeare und auch seine deutschen Übersetzer aus der romantischen Ära ließen Oberon das Lustknabensyndrom durchgehen. Titania will das Kind daher vor ihrem lüsternen Gatten schützen; mutmaßlich nicht, um es selbst zu verführen.

So ist es im englischen Original des Dramas, und die deutsche, so genannte Schlegel-Tieck-Ausgabe (deren Gros an Arbeit von Dorothea Tieck geleistet wurde) lässt daran ebenfalls keinen Zweifel. Oberons sexueller Geschmack ist hier von Beginn an monströs und übersteigert, brachial und vom Vorbild der Bisexualität in der Antike geprägt.

John Neumeier, der 1977 in Hamburg die ultimative Ballettversion vom „Sommernachtstraum“ schuf, machte es richtig und entfernte das Motiv des armen kindlichen Lustknaben aus dem Stück. So gibt es bei ihm einfach einen typischen Streit zwischen Mann und Frau – wichtig für die Handlung des Stücks ist ohnehin die eheliche Rachsucht Oberons, nicht seine eventuelle Missbrauchsneigung.

Ashton wählte einen anderen Weg als Neumeier, um die Lustknabensache zu umschiffen: Er verniedlichte und verharmloste das Vorhaben Oberons. Anscheinend streiten sich die beiden Ehepartner hier lediglich um das Erziehungsrecht, fast so, als seien sie ein in Scheidung lebendes Paar, dem es um das Sorgerecht des gemeinsamen Kindes geht.

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Was für eine zarte, aber energiegeladene Elfenkönigin! Anna Merkulova als Titania in „The Dream“ von Frederick Ashton beim Semperoper Ballett. Foto: Ian Whalen

Der eigentliche Grund für den Zwist wird im Dramentext Shakespeares aber klipp und klar benannt: Es klappt im Bett bei den herrschaftlichen Eheleuten nicht mehr. Titania verweigert sich ihrem Gatten, braucht eine Pause von ihm. Das ist ein ganz alltäglicher Konflikt zwischen heterosexuellen Paaren, denn das sexuelle Begehren der Frauen ist – das ist wissenschaftlich bewiesen – systematisch unregelmäßig und längst nicht so stark auf routinierte Ausübung ausgerichtet wie das eines Mannes. „Denn ich verschwor sein Bett und sein Gespräch“, sagt Titania denn auch zu ihren Elfen, um den Zorn ihres Mannes zu erklären.

Mit ihren Elfendamen bildet Titania hingegen eine harmonische Frauengesellschaft, eine Utopie der weiblichen Solidarität. Hier hätte die Rahmenhandlung mit Hippolyta, deren zweites Ego Titania in der Traumwelt ist, gut dazu gepasst. Denn Hippolyta ist die Königin der Amazonen, einem sagenumwobenen Frauen- und Kriegerinnenstaat.

Bei Ashton aber ist die holde Weiblichkeit keineswegs mit Blutrünstigkeit in Verbindung zu bringen. Hier ist Titania ein liebliches Wesen – und sehr feminin.

Anna Merkulova tanzt die zunächst so trotzig-keusche, später aber voll sinnlicher Hingabe erotisierte Titania, als sei diese Partie für sie geschaffen.

Da stimmt jedes Kopfschütteln, jedes Armwedeln, jedes Cambré. Sie ist eine Augenweide, zierlich von Gestalt, dennoch kraftvoll, und für die Titania ist sie zudem im genau richtigen Alter: keine Anfängerin mehr, aber auch noch keine reife Frau.

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Titania, Oberon, Bottom – Anna Merkulova, hinter ihr Denis Veginy, neben ihr Alejandro Martínez – und vor ihnen jubelt das Publikum der Premiere! Schlussapplausfoto nach „The Dream“ in der Semperoper: Gisela Sonnenburg

Jeder leichtsinnige Hüpfer, jedes wütende Abrauschen, jede streichelnde Handbewegung von ihr bezaubert.

Fabelhaft!

Wer die als DVD erschienene Aufnahme von „The Dream“ vom American Ballet Theatre (ABT) mit Alessandra Ferri kennt und liebt, mag es vielleicht nicht glauben. Aber Merkulova besticht mit so viel mehr natürlicher Anmut, dass sie – wiewohl Ferri eine fast göttlich zu nennende Ballerina ist, die seit ihrem Comeback zur Bühne zudem eine fabelhafte zweite Karriere hinlegt – jedes andere Bild einer Titania erfolgreich verdrängt.

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Denis Veginy und Anna Merkulova beim Schlussapplaus nach der Premiere von „The Dream“ beim Semperoper Ballett in Dresden. Danke für so tollen Tanz! Foto: Gisela Sonnenburg

Der Oberon an ihrer Seite macht es ihr aber auch leicht. Denn Denis Veginy übertrifft jede uns bekannte Interpretation des Ashton’schen Oberon, nicht an technischer Fertigkeit, aber an ausdrucksstarker, abwechslungsreicher, die mannigfaltige Handlungsweise dieses gottartigen Patriarchen illustrierenden Darstellung. Bravo!

Zwei Besetzungen am Covent Garden – darunter Steven McRae – werden von Veginy als Oberon leichthin getoppt: weil er nicht immerzu versucht, „schön“ und „perfekt“ zu tanzen, sondern weil er die Rolle vollständig begriffen hat.

Dieser listige, nicht brutale Oberon ist ein im Innern brodelndes Ausbund an Sehnsucht nach Macht, nach Liebe, nach Dominanz.

Er verlangt Hingabe, will die wolllüstige Oberhand haben – und genau das verweigert ihm sein Frauchen Titania, womöglich auch, um ihn zielbewusst zu kränken.

In diesem gefühlsmäßigen Schlamassel steckt die Ehe der beiden fest, und im Drama von Shakespeare leidet die gesamte äußere Natur, leidet also das Klima darunter, was sich in Dürren und Unwettern, in außer Rand und Band geratenen Kräften der Winde und der Wolken zeigt.

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Puck und sein Herr, Oberon: ein skurriles, unterhaltsames, traumreifes Gespann. Hier James Potter und Denis Veginy vom Semperoper Ballett. Sie holen aus „The Dream“ von Frederick Ashton heraus, was an Schauspiellust und Tanzwut drinsteckt. Foto: Ian Whalen

Die Götter zanken – und die Erde siecht darum.

Die Vorstellung, dass die Fruchtbarkeit der Böden, die Sanftmut des Wetters und irgendeine göttliche Harmonie miteinander zusammen hängen, ist uralt und in fast allen Religionen präsent. Auch das Christentum wertete Dürren oder Überflutungen als Teufelszeichen, als Gottesstrafen, als Sündensühne.

In Ashtons „Sommernachtstraum“ kulminiert all dies in der Beziehung von Oberon und Titania. Die ganze Welt findet sich in einer Ehe, sozusagen. Ashton lässt denn auch keinen männlichen Rivalen zu Oberon zu, anders als in anderen ballettösen „Sommernachtstraum“-Varianten hat Titania keinen männlichen Lieblingselfen, also mutmaßlichen Liebhaber. Alles ist zugespitzt auf dieses Ehedrama.

Und Oberon lässt, nach tollkühnen Arabesken unter dem seidenen Flügelumhang, nach findigen vielfachen Pirouetten und köstlich eleganten Posen, seinen irrwischig dienenden Untertan Puck antanzen.

Der soll eine Wunderblume bei Titania einsetzen, die den Sexus völlig entfesselt.

James Potter ist ein hinreißend spurtender, agiler, flippiger, dennoch akkurat all die kessen, wie in die Luft geworfenen Sprünge dieser Rolle absolvierender Puck.

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Jumping James: James Potter als hinreißender Puck in „The Dream“ von Frederick Ashton beim Semperoper Ballett. Hui! Foto: Ian Whalen

Auf der DVD aus New York tanzt der junge Herman Cornejo diesen Part, und dagegen ist wirklich schwer anzukommen. Aber Potter macht seine eigene Sache großartig, und aus dem unberechenbaren Troll wird ein schelmisch-genüssliches Wesen, das viel Sinn für Unfug hat.

Der Schabernack von Puck trägt die Handlung fort. Sein Spaß an Turbulenzen sorgt für Aufregung. So saust er durch die Szene, überspringt alle, macht vor, wie es geht, wenn man Power hat und keine Verantwortung trägt. Was für ein kleines liebenswertes Monster! Er trägt Züge von Amor, aber auch die eines Dämons.

Es wird Zeit, auch auf die Alternativbesetzung in Dresden hinzuweisen.

Denn mit dem bildhübschen Vaclav Lamparter als Oberon wird sich ein betont junger, nichtsdestotrotz kongenialer Ballerino an eine weitere Interpretation wagen. Mit Chantelle Kerr steht ihm eine auch komödiantisch versierte, zart-erotische Titania zur Seite.

Und Houston Thomas als Puck dürfte ein Knüller werden, der das überbordend-spaßhafte Gemüt des Kobolds furios zu ausgelassener Wonne zu steigern weiß.

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Blumen für die Künstler! Und eine wundervolle Stimmung auf der Bühne – auch nach „The Dream“, der am 10.03.2018 beim Semperoper Ballett premierte. Foto vom Schlussapplaus: Gisela Sonnenburg

Man sollte sich ein so fantastisch durchgearbeitetes Juwel wie den Dresdner „Dream“ wahrlich nicht entgehen lassen – und ihn sich nach Möglichkeit mehrfach anschauen. Sollte es diese Saison nicht mehr klappen, wird es erst im Sommer 2019 wieder Chancen dazu geben. Nicht verpassen!

Außer der Elfenwelt gibt es zudem noch zwei Spielebenen, die faszinieren: Da sind die beiden menschlichen Hetero-Paare, deren männliche Hälften sich – jungmanntypisch – auch schon mal verquer verlieben. Aber natürlich half da der wilde Puck nach!

Dessen Zauberblume nämlich bewirkt, wenn man ihren Saft auf die Augen eines Schlafenden träufelt, dass dieser sich beim Erwachen in das erstbeste Lebewesen verliebt, das er erblickt. Und zwar hemmungslos!

Die Irrungen und Wirrungen der von Theaterleuten stets schlicht „Liebhaber“ genannten Paare – von Aidan Gibson (Helena), Svetlana Gileva (Hermia), Casey Ouzounis (Demetrius) und Christian Bauch (Lysander) mit großem Einsatz und munterer Klamaukigkeit getanzt – sorgen für poetisch-deftige Unterhaltung.

Das Britisch-Steife wird hier von Ashton ebenso karikiert wie die Ungerechtigkeit und Dümmlichkeit, zu denen Menschen im Liebeswahn neigen.

Mal schmilzt man voreinander dahin vor lauter Liebe, mal weist man sich kaltherzig gegenseitig ab. Dann wieder ringt man um Vorherrschaft oder keilt sich gar, ganz unanständig auch von Dame zu Dame.

Allerdings zeigt sich hier eine Schwäche zwar nicht der Ashton’schen Choreografie, aber der Dramaturgie und Struktur seines Stücks. So ist zwar alles stets hübsch und spannend anzusehen. Aber die Handlungsmomente sind auf ein Minimum zusammen geschnurrt. Puck muss die Liebhaber nur mit dem Finger dirigieren, schon legen sie sich so hin, wie er es will. Ratzfatz. Auch die Verliebtheiten, in die gestolpert wird, kann man in anderen Versionen ausführlicher formuliert betrachten. Hier muss eben alles ganz schnell gehen, und das geht auf Kosten der Zuschauerfreude.

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Alejandro Martínez – oh, hier ist er auch als Bottom bekannt! Verzaubert zum Esel, rast er in „The Dream“ virtuos in Spitzenschuhen über die Bühne… kein Wunder, dass Titania sich in ihn verknallt! Foto vom Semperoper Ballett: Ian Whalen

Was einen rasch tröstet, ist hingegen die derb-solide, komische Inszenierung der Handwerker-Truppe, die vom Webermeister Bottom (köstlich: Alejandro Martínez) angeführt wird.

Der Programmzettel weist sie als „Gruppe einfacher Leute“ aus, womit der eigentliche Sinn, den die Handwerker-Auftritte im nächtlichen Wald bei Shakespeare haben, ebenso fehlt wie ihre bei Shakespeare satirisch als Akademiker gemeinte soziale Identität als Handwerker.

Aber ohnehin fehlen ohne die Rahmenhandlungen die Verankerungen. Denn bei Shakespeare üben die Handwerker ein Theaterstück ein, um sich damit beim herzoglichen Hochzeitsfest in Athen Ansehen und ein kleines Zubrot zu verdienen. Sie proben nachts im Wald, damit niemand sie sieht und ihre Ideen klaut – und damit sie ihre Ruhe haben.

Bei Ashton wiederum gibt es keinen erkennbaren Grund, warum die „einfachen Leute“ – allesamt Männer – nachts durch den Wald zuckeln. Vielleicht haben sie einfach nur gute Laune und wollen nach einem gelungenen Kneipenabend noch was Besonderes erleben?

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Noch einmal Alejandro Martínez, als Bottom in „The Dream“ – dieses Mal beim Schlussapplaus in der Semperoper.

Marco Giombelli, Joseph Gray, Skyler Maxey-Wert, Rodrigo Pinto (als Stipendiat der Stiftung Semperoper – Förderstiftung) und Houston Thomas machten in der Premierenbesetzung das Beste draus und tollten unterm Vollmond vor den knorrigen Baumkulissen von David Walker herum, als seien sie ein wandelndes Volksfest. Die Ausstattung entspricht übrigens den Originalentwürfen der Uraufführung, und man kann sich darüber wundern, wie zeitlos gültig sie Walker geraten ist.

Bottom, der in den meisten deutschen Übersetzungen nach dem übersetzten Weberschiffchen korrekt „Zettel“ genannt wird, ist indes von Oberon für dessen Rache an Titania erwählt.

Der Elfenkönig mit seinem abseitigen erotischen Geschmack und seinem perfiden Sinn für Racheaktionen verzaubert den holperdipolter einher kommenden Bottom in einen Esel – und nicht nur körperlich, sondern auch vom Naturell her hoppelt der Handwerker fortan tierisch lustig über die Bühne.

Ein riesiger Eselskopf aus Plüsch, graue Manschetten an den Knöcheln und schicke schwarze Spitzenschuhe machen aus diesem Verwandelten eine groteske Sensation.

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Titania, oh ja, hat sich in einen Esel verliebt… der Zauber einer Blume machte es möglich! Sonst passieren solche Dinge natürlich nie… Anna Merkulova und Alejandro Marínez in „The Dream“ beim Semperoper Ballett. Foto: Ian Whalen

Fortan scharrt er die Hufe, trippelt und tanzt auf den Zehenspitzen, springt lässige Grands pas de chats vorwärts, wackelt mit dem Tierkopf, streckt den Hintern raus. Oh! Ein Menschentier wie aus dem Gruselkabinett eines nostalgischen Jahrmarkts oder Kindertheaters.

Titania wiederum erwacht – und mit verzaubertem Blick vergafft sie sich in das Tier sogar von weitem. Sie schleicht sich an ihn an, umgarnt ihn, verführt ihn zum Pas de deux. Der arme Esel weiß nicht, wie ihm geschieht… während sie in seinen Armen aufblüht.

Die hinzu kommenden Elfen erstarren. Oje! Die Herrin leidet offenbar unter einer Geschmacksverirrung. Ups!

Elena Karpuhina, Gina Scott, Kanako Fujimoto und Susanna Santoro brillieren in diesem kleinen Schockzustand. Dürfen sie hier doch auch mal direkt ins Publikum spielen, um ihr Entsetzen mit aufgerissenen Augen und auf den Mund geschlagener Hand kundzutun.

So greift hier alles ineinander und verquillt zu einem Traum, von dem indes unklar ist, wer ihn überhaupt träumt. Etwa wir, das Publikum? Bei Shakespeare und den abendfüllenden „Sommernachtstraum“-Balletten gewährleistet die schlafende Hippolyta, Braut des Theseus, dass sie die Träumerin vom Feenwald ist. In Ashtons komprimierter Fassung muss man sich als Zuschauer selbst an die Nase fassen – oder das Werk als Fantasie des Choreografen aufnehmen.

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Das Publikum brüllt vor Begeisterung: Anna Merkulova und Denis Veginy nach „The Dream“ in der Semperoper. Foto vom Schlussapplaus: Gisela Sonnenburg

Der Zoff zwischen den Elfen amüsiert so oder so. Nachdem Puck von Oberon gemaßregelt wird, weil er die Liebhaber falsch miteinander paarte, und nachdem Oberon seinen Spaß beim Anblick der Eselsgeliebten Titania hatte, ergibt sich rasch die glückliche Auflösung aller Krisen. Puck darf den richtigen Mann zur richtigen Frau dirigieren – also Lysander zu Hermia und Demetrius zu Helena – und Titania schlafenderweise entzaubern.

Als sie jetzt aufwacht, sieht und liebt sie ihren Ehemann, und während Bottom noch seinen Rausch ausschläft, geben sich die beiden Elfenoberhäupter einem der schönsten Pas de deux der Ballettgeschichte hin. Gegenseitiger Respekt, ja gegenseitige Verherrlichung kulminieren hier in einem langsam gesteigerten Paartanz mit Zutaten aus dem Arsenal der Eleganz und des Wohlgefallens. Die Dame darf mehrfach ins Penché auf Zehenspitzen gehen, während er sie sicher dreht. Schließlich gibt es Hebungen, Drehhebungen, auch eine hoch über seinen Kopf.

Ashton wird mit seinem 1964 uraufgeführten „Dream“ immer mal wieder choreografisch in „Manon“ von Kenneth MacMillan zitiert, die 1974, also zehn Jahre später entstand. Vor allem die Tanzschritte des Oberon – etwa die Pirouette mit der Landung in der Arabeske plié im Profil zum Publikum – finden sich in denen des Des Grieux. Das sind nachgerade ironische heimliche Zitate, ist „Manon“ doch eine bittere, traurig-tragische Liebesgeschichte, während „The Dream“ vor subtiler wie vor deftiger Komik hochkocht.

Auch das Suicide Wheel, bei dem die Frau in den Armen des Partners ein Rad schlägt, ohne sich selbst abzustützen, findet sich schon hier: beim Zoff der Lover, die zeitgleich ihre Damen so herumwirbeln. Ashton war also, wenn man genau hinsieht, Vorreiter für viele andere Choreografen, von Maurice Béjart bis zu John Neumeier.

Auch George Balanchine hat sich an Frederick Ashton orientiert. So mündet der intensive Versöhnungs- und Verwöhnungstanz von Titania und Oberon in eine Schlusspose, die Titania malerisch rückwärts in die Arme ihres Gatten fallen lässt, in ein Cambré mit leichthin ausgestrecktem Arm, was so rund und weich und tief erscheint wie ein multipler weiblicher Organismus.

In Balanchines Version vom „Midsummer Night’s Dream“ von 1967 „erlegt“ Oberon seine Titania ganz ähnlich, bettet sie auch hier in ein ausgefeiltes Cambré in seinen Armen. Und auch der dem vorangehende Pas de deux zeigt Ähnlichkeiten.

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Noch einmal vors jubelnde Publikum getreten: Anna Merkulova und Denis Veginy nach „The Dream“! Foto: Gisela Sonnenburg

Aber: Ashton choreografiert all diese Details im Stil der typisch englischen Schule, was heißt, dass die Oberkörper oft seitlich oder nach hinten geneigt sind, die Arme betont rund und süß wirken, der Kopf gern zur Seite gelegt wird. Der ganze Ausdruck ist zierlicher, niedlicher, im Gegensatz zur Basis der russischen Klassik, die alles durchstreckt und eben nicht süßlich wirken will.

Ashtons „Dream“ ist wie ein Schmuckstück, das hochkarätige Brillanten in verspielt-ziselierte Formen einbindet.

Er choreografierte ihn ein Jahr nach seinem Antritt als Chef vom Royal Ballet in London, anlässlich des 400. Geburtstags von William Shakespeare. „The Dream“ war übrigens zunächst kein großer Erfolg bei der Uraufführung – erst in den kommenden Jahren und Jahrzehnten begriff man die ästhetische und unterhaltsame Qualität dieses gutmütigen Traums über ganz und gar nicht gutmütige Dinge.

Das ist etwas, das heute in der allgemeinen Erfolgshysterie oft vergessen wird: Auch Inszenierungen, die nicht auf Anhieb viel Beifall erhalten, können genial sein oder zumindest deutlich besser, als das Publikum zunächst glaubt. Und auch große Künstler dürfen sich mal den einen oder anderen Patzer, die eine oder andere Unvollkommenheit erlauben. Dafür sind sie Menschen.

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Frederick Ashton im Spiegel der Google-Bildersuche: ein seriöser Sir, der es in seiner Fantasie aber sehr weit trieb – und für viele Choreografen inspirierende Vorlagen lieferte. Faksimile: Gisela Sonnenburg

Der britische Diplomatensohn Frederick Ashton ( 1904 – 1988) fühlte sich 1917, im Teenageralter, durch einen Gastauftritt von Anna Pawlowa in Lima dazu inspiriert, selbst Balletttänzer zu werden. Als er 1921 eine Performance der Ausdruckstänzerin Isadora Duncan sah, wurde ihre Expressivität der zweite Pol seiner Arbeitsideale. Bereits 1926 begann er zu choreografieren und avancierte zum weltweit anerkannten, vielseitigen britischen Ballettchoreografen schlechthin.

Mit jedem neuen Stück probierte er neue Stil- und Choreografiemethoden aus. Man erkennt Ashtons Handschrift an der typisch englisch interpretierten Klassik – aber er hat auch, etwa bei seiner Brahms-Walzer-Arbeit in Erinnerung an Isadora Duncan diese weit in andere Tanzbereiche hinein ragen lassen.

Von Tanz und Ballett verstand Ashton wirklich viel, und wenn er sich als „Handwerker“ bezeichnete, so war das ein britisches Understatement von höchster Güte und Bescheidenheit.

Über hundert Stücke hat Ashton insgesamt kreiert – und viele finden mittlerweile seinen „Dream“ am schönsten.

Dass der „Dream“ nun in Dresden so überaus fantastisch getanzt wird, liegt aber auch an der Arbeit von Anthony Dowell und seinen Ballettmeistern Christopher Carr und Patricia Tierney.

Dowell, wie Ashton von der englischen Königin zum Sir geschlagen und also ein wörtlich geadelter Künstler, war 21 Jahre jung, als er den Oberon kreierte.

Nachdem er diese Partie mittlerweile weltweit sehr oft mit den verschiedensten Ballerinos einstudierte, sagt er: „Was mich befriedigt, ist, dass auch die technisch perfektesten Tänzer immer noch bei der Rolle des Oberon stöhnen und glauben, es bringe sie um.“

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Und noch einmal zum Applaus bitte vor den Vorhang! Anna Merkulova und Denis Veginy in der Semperoper, nach „The Dream“ von Frederick Ashton. Foto: Gisela Sonnenburg

Denn die Schnelligkeit in allem – in den Schritte, in den Emotionswechseln, in den Sprüngen, in den Ausdrucksqualitäten, in den Ports de bras, in der Linienführung und in den Kopfbewegungen – ist hier ganz enorm.

Oberon ist der Inbegriff eines Mannes, der sich als Alphatier versteht und permanent um Vorherrschaft ringt.

Ob Ashton und Dowell bei der Kreation dieser Partie auch an sich selbst dachten?

1986 bis 2000 leitete Anthony Dowell das Royal Ballet, nachdem er sich 1984 offiziell als Tänzer von der Bühne zurückgezogen hatte. Aber immer mal wieder gönnte er sich und dem Publikum Auftritte in modernen Kreationen, so 1991 in Kenneth MacMillans Tschechow-Ballett „Winter Dreams“, das nach dem Theaterstück „Die drei Schwestern“ entstand. Dowell stellte darin den Ehemann von Mascha dar, die von Darcey Bussell getanzt wurde.

Winter gibt es nun auch in Dresden, im zweiten Teil des Abends „Ein Sommernachtstraum“.

Der ebenfalls britische Choreograf David Dawson, der bereits zwölf Stücke beim Semperoper Ballett einstudierte, brachte somit seine jüngste Kreation zur Uraufführung. Sie heißt „The Four Seasons“ („Die vier Jahreszeiten“) und beruft sich nicht nur mit dem Titel auf die Musik, die der Komponist Max Richter 2012 in Anlehnung an Antonio Vivaldis „vier Jahreszeiten“ schuf.

Die Kostüme – einfallsreich gestaltete Leotards – stammen von der ehemaligen Dresdner Primaballerina Yumiko Takeshima. Das Bühnenbild, das aus riesenhaften geometrischen Formen besteht, von Eno Henze. Das farblich fein nuancierende, insgesamt aber etwas dunkle Licht kommt von Bert Dalhuysen.

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Choreograf David Dawson in der Collage, die sich auf der Bildersuche bei Google ergibt: Er ist nach zwölf Balletten in Dresden dort kein Unbekannter mehr! Das runde Portrait in der Mitte stammt wohl woher? Genau: vom Ballett-Journal. Faksimile: Gisela Sonnenburg

Der Vorhang hebt sich, und dahinter wird schon getanzt. Man ist also gleich mittendrin im Stück, Dawson hebt so auf eine elegante Weise die Trennung zwischen Tanzkünstlern und Publikum auf.

Andererseits fehlt die Einstimmung – man hat ein bisschen das Gefühl, zum Voyeur gemacht zu werden, ganz so, als würden die Tänzer noch proben und der Vorhang sich zu früh empor heben.

Ein sattes Tannengrün umspannt die edlen Leiber der jungen Damen, von denen vor allem Sangeun Lee und Gina Scott durch Ausdruck und Präzision bestechen.

Sie drehen und dehnen sich in den typischen Dawson-Posen: Das sind elegant angespannte, oft schief gelegte, sehr modern wirkende Variationen der klassischen Grundmuster, wie sie der versierte Ballettmacher, der auch schon große Handlungsballett wie „Giselle“ und „Tristan + Isolde“ sehr erfolgreich neu geschöpft hat, in all seinen Stücken anwendet.

Dass es sich jetzt zu Beginn seiner „Seasons“ um den Frühling handelt, ist nicht unbedingt eindeutig, es könnte auch Sommer sein oder einfach irgendein ganz schöner, halbwegs sonniger Tag. Dawson geht es offenbar weniger um die äußeren Jahreszeiten und noch viel weniger um die äußere Natur.

Für ihn zählen Stimmungen und Beziehungen, also die Natur des Menschen, allerdings ist alles so stark durchstilisiert und scheinbar von exorbitant quecksilbriger Tanztechnik bestimmt, dass es schwerfällt, einzelnen Tänzerinnen und Tänzern bestimmte Merkmale zuzuordnen.

„Alles ist eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart“, sagt Dawson im Programmheft. So verstehe er die Musik, und so wolle er auch seinen Tanz verstanden wissen.

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Sangeun Lee und Gareth Haw in „The Four Seasons“ von David Dawson beim Semperoper Ballett: elastisch, elegant, elegisch im Winter zu einer musikalischen Fantasie von Max Richter auf Vivaldi. Foto: Ian Whalen

Dass aber Max Richter in erster Linie auf die Musik von Vivaldi eingeht und dann erst auf ihr Thema, dass er immer wieder Zitate aus Vivaldis Werk von 1725 einflicht, um mit ihnen zu spielen, sodass es sich im Grunde um Musik über Musik handelt – das ist mit Dawsons Methode hier nur schwerlich tänzerisch umzusetzen.

Auch die bühnenbildnerischen Symbole, die an Wassily Kandinsky und das Bauhaus erinnern sollen, sind ohne Fingerzeig durch das Programmheft kaum mit dem Thema der Jahreszeiten in Bezug zu setzen.

Von oben kommt da erst ein großes, hellgrün leuchtendes Dreieck, später erscheint ein schwarzes Quadrat, das leuchtet dann nach unten rot. Es folgt ein hell leuchtendes Signal am rechten Bühnenrand in Lot-Form. Schließlich ist der Bühnenhimmel frei, bis ein Kreis ganz langsam von oben einschwebt. Aber auch eine vertikale Form mit hellem Leuchten muss noch dazu kommen.

Tatsächlich soll das Dreieck den Frühling „verkörpern“, laut Dawson im Programmheft, und das Quadrat soll für den Sommer stehen, die Linie für den Herbst und der Kreis für den Winter.

Das ist nun derart abstrahiert, dass es den Zuschauer nicht wirklich in diesem Sinne erreicht. Eher macht noch die Musik Mitteilung über zirpendes Sprießen im Frühling, glühende Hitze im Sommer, melancholische Stimmung im Herbst und klirrende Eiseskälte im Winter.

Ein Cembalo spielt zwischen den modernen Tönen auf – und der mal mit kratzigen, mal mit Paganini-Paraden absolut brillierende Soloviolinist Daniel Hope erhält am Ende zu Recht viel Beifall.

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Zweifelsohne große Körperkünstler: Julian Amir Lacey trägt Alice Mariani in David Dawsons „The Four Seasons“ beim Semperoper Ballett. Foto: Ian Whalen

Aber auch die Tänzerinnen und Tänzer haben die Standing Ovations, die man ihnen beschert, insofern verdient, als sie technisch nahezu makellos und vom Ausdruck her nachgerade beseelt die schwierigen, oft auch akrobatisch anspruchsvollen Figuren von Dawson zeigten.

Alice Mariani, Julian Amir Lacey, Gareth Haw , die schon erwähnte Sangeun Lee, Zarina Stahnke und Jón Vallejo fielen uns besonders auf.

Auch, als im Premierenstress ein Paar sich mal blitzschnell lang hinlegen musste, um einen gefährlicheren Sturz zu vermeiden, wirkte das so hochprofessionell und umsichtig ausgeführt, dass man fast meinen konnte, es gehöre zum Stück.

Was jedoch fehlt, ist die innere Verbindung zwischen den wunderschön florierenden Formen und inhaltlichen Einzelszenen.

Da ist das Publikum auf das eigene Assoziationsvermögen angewiesen. Dann wird auch dieser Tanz eine pure Träumerei.

Besonders schön ist daher das Erlebnis mancher dieser Schleif-Spagat-Dreh-Manöver, wenn sie motivisch an den „Dream“ erinnern. Dann träumt man sich in den ersten Teil des Abends zurück und findet zugleich Anreiz, die Gedanken noch weiter schweifen zu lassen.

Ob die „Four Seasons“ im Grunde ein Ballett über die Postmoderne sind?

Dreizehn statt nur vier Jahreszeiten-Untereinheiten gibt es hier. Der Sommer trägt viel Beige und Schlamm, der Herbst ist an seiner Elegie und an dunkelroten und violetten Kostümfarben zu erkennen. Der Winter hat mal ein tiefes Blau, mal ein graues Braun zur Kennzeichnung erhalten. Aber auch, wenn es gen Ende ein bisschen nach Bibbern und Einsamkeit aussieht – wirklich sicher ist man sich hier nie, welches Kalenderblatt wohl gerade abgerissen wird.

Das Gefühl, hier würde ein Jahr vergehen – oder ein Leben oder was auch immer außer Zeit im Opernhaus – will sich beim besten Willen zumindest bei uns nicht einstellen.

Es ist zwar in Deutschland noch ungewöhnlich, für journalistische Projekte zu spenden, aber wenn man die Medienlandschaft um das Ballett-Journal ergänzt sehen möchte, bleibt keine andere Möglichkeit. Im Impressum erfahren Sie mehr. Danke.

Dawson hat viele großartige Ballette kreiert. Aber für die „Four Seasons“ ist ihm vielleicht noch nicht ganz die zündende Idee gekommen. Womöglich sollte er sich das Stück, wenn er Abstand davon gewonnen hat, nochmal vornehmen. Derzeit ist es nicht viel mehr als ein leichtes Dessert und wäre ohne vorausgegangenen nahrhaften Hauptgang eher nicht sättigend.

Als fluffige Ergänzung zum fantastischen, vollauf beglückenden „Dream“ passen die feinen Pralinen, die die Soli, Paartänze und Pas de Six von Dawson bedeuten, aber ganz hervorragend.
Franka Maria Selz / Gisela Sonnenburg

www.semperoper.de

Die DVD „The Dream“ vom ABT erschien 2004 bei Arthaus Musik.

www.arthaus-musik.com

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