Weihnachten geht in die Verlängerung Manches aus der Weihnachtszeit könnte glatt so bleiben… Außerdem: ein Rückblick aufs Jahr 2016 und ein Spendenaufruf

Weihnachten und Spenden passen zusammen

Ein Ballettschuh, ein symbolisches Glas Champagner, ein Weihnachtsbäumchen… Ich hoffe, Sie hatten fröhliche Festtage! Foto: Gisela Sonnenburg

Weihnachten ist vorbei – aber die festliche Stimmung trägt uns ins neue Jahr. Und manche Dinge sind es wert, aus der Weihnachtszeit heraus einfach bei uns zu bleiben. Wie die Freundlichkeit, die einen plötzlich mit Orten verbindet, die sonst banal, ignorant oder unscheinbar wirken. Oder wie das Verständnis für andere Sitten und Gebräuche, falls man in einer ländlichen Region mit eigenwilligen Traditionen feierte. Oder – wie das Ballett! Der „Nussknacker“ feiert landauf, landab fröhliche Urständ, in allen möglichen Variationen, vielerorts im Dezember wie im Januar. „Schwanensee“ – dito! Und sogar der blutrünstige „Spartacus“ in München lässt sich sehr gut über die Jahresmarke schieben. Ballett hatte schon immer seine Hightime zur Weihnachtszeit, und das gibt Schwung fürs neue Jahr. Die Auslastungszahlen sind denn auch meist sehr gut in diesen Wochen – aber man möchte zugleich zurückblicken, ob im Zorn oder mit Freude, und da kann mein subjektiver Überblick helfen.

Die wirklich sehr oft überwältigenden Leistungen von vielen Tänzerinnen und Tänzern möchte man da am liebsten in Stein meißeln!

Denn ohne tolle Tänzer, ob unisono im Corps de ballet oder ob als ausdrucksstarke Solisten, läuft im Ballett nichts. Da kann eine Choreo noch so originell, ein Bühnenbild noch so schön, Kostüme noch so edel und die Musik noch so mitreißend sein: Alles hängt letztlich an den Tänzern…

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Carolina Agüera und Alexandre Riabko im „Nussknacker“ von John Neumeier in Hamburg: Ballett ist schön, macht aber viel Arbeit… Foto: Kiran West

Deren Anstrengung ist beim Balletttanzen eigentlich immer ganz enorm.

Darum jetzt herzliche Dankeschöns – und noch einmal ganz laut: DANKE! an alle Ballerinen und Ballerini!

Einzelne Beispiele seien aber rasch auch namentlich genannt, in dem Wissen, dass so eine kurze Liste hier nicht vollständig sein kann:

Silvia Azzoni vom Hamburg Ballett tanzt noch immer so jugendlich-frisch und beseligend, als sei sie ein Mädchen von Anfang zwanzig – aber zugleich hat sie nun die Gelassenheit und Bewusstheit einer reifen Frau. Das macht sie überaus attraktiv als Primaballerina! Sie hat das zuletzt vor allem in „Weihnachtsoratorium I – VI“ gezeigt, zuvor auch als „Duse“ (beides von John Neumeier) – und wer Glück hat, kann sie demnächst vielleicht im „Nussknacker“ von den Narren getragen sehen, schlängelnde „Esmeralda“-Bewegungen vollführend.

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„Der Nussknacker“ strotzt beim Hamburg Ballett nur so vor origineller Einfälle. Hier posiert Drosselmeier (Carsten Jung) mit „seinen“ Jungs für den Fotografen à la Belle Èpoque. Foto: Kiran West

Ohnehin wird die Silvester-Vorstellung vom „Nussknacker“ in Hamburg ein Riesenspektakel: gleich drei Besetzungen aller Hauptrollen stehen dann zeitgleich auf der Bühne. Alina Cojocaru, Emilie Mazon und Hélène Bouchet verkörpern also zugleich das träumende Mädchen Marie. Auch deren Schwarm Günther, der Kadett Fritz sowie der Irrwisch Drosselmeier sind in dieser einen Vorstellung dreifach vorhanden. Was für eine Gaudi!

So einen Spaß könnte man vielleicht öfter gut vertragen; zudem erinnert das Drunter und Drüber an eine gute alte Theatersitte. Nach der wurden in die jeweils letzte Vorstellung eines Stücks, bevor es abgesetzt wurde, allerlei absurde Witze eingebaut, inklusive Requisitenneuerfindung. Das Regietheater schaffte das als vermeintliche Unsitte zwar weitgehend ab, aber es gibt, wie das Hamburg Ballett zeigt, vereinzelt Möglichkeiten, diesen karnevalesk-anarchistischen Humor wiederzubeleben. Ist aber nur bei Komödien erlaubt!

Ein irrwitziger Komödiant wie auch ein rührender Tragöde ist: Dann Wilkinson vom Ballett Dortmund. Er zeigt als Mephistopheles sowohl in „Faust I – Gewissen!“ als auch in „Faust II – Erlösung!“ trotz seiner Jugend unglaublich viel Persönlichkeit! Man ist gewillt, ihn als einen neuen Tänzertyp zu feiern: Er ist weder danseur noble noch danseur comique, aber doch ein bisschen beides und noch etwas mehr, nämlich ein Tänzer des Realismus, der emotionale Regungen fasslich und glaubhaft machen kann, ohne übergroße Geste zu nutzen, was im Ballett eine Seltenheit ist – Wilkinson eben! Bravo!

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Katherina Markowskaja nach ihrem letzten Auftritt als Prudence in John Neumeiers „Kameliendame“ beim Bayerischen Staatsballett in München: keck und doch so lieb! Foto vom Schlussapplaus: Gisela Sonnenburg

Außerdem wird mir Katherina Markowskaja als Prudence in der Münchner „Kameliendame“ unvergesslich bleiben: so vornehm vulgär kann nur sie in dieser Rolle sein, sie, die andererseits auch eine entzückend zarte Julia abgibt, weil sie eine so liebenswerte Ausstrahlung hat. Leider wollte Igor Zelensky sie nicht, das Nationaltheater ist also ihre Ex-Heimat. Aber dass nicht nur ich oft an sie denke, weiß ich: aus etlichen Zuschriften!

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Lucia Lacarra und Marlon Dino beim Schlussapplaus auf einer Gala – das absolute WOW-Paar der internationalen Ballettwelt! Foto: Gisela Sonnenburg

Lucia Lacarra und Marlon Dino sind ebenfalls auch mit ihrem Ex-München-Flair sehr präsent bei mir. Sie waren sowohl in ihrer Neukreation in Dortmund (siehe weiter unten) als auch mit ihrem Gala-Knüller „Spiral Twist“ einfach nur: legendär! Da fehlen mir fast die Worte, so unvergleichlich schön, auratisch, behände, harmonisch, verliebt, ja unvergänglich wirkt ihr Paartanz. Und Lacarra zeigte sich – nicht zuletzt auch ein letztes Mal in München als „Kameliendame“ – als die zweifelsohne anmutigste und ausdrucksstärkste Tänzerin der Welt. Da capo! Immer wieder!

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Tricia Albertson in den Armen von Rainer Krenstetter: Die beiden Principals vom Miami City Ballet tanzen George Balanchines „Midsummer Night’s Dream“, den „Sommernachtstraum“, wie aus dem Bilderbuch. Foto: Miami City Ballet

Auf der „Malakhov & Friends“ – Gala in Berlin im Spätsommer gab es aber zudem noch einen ganz anderen atemberaubenden Pas de deux: Tricia Albertson und Rainer Krenstetter, vom auf George Balanchine spezialisierten Miami City Ballet, boten einen so dermaßen galant-erotischen Auszug aus Balanchines „Midsummer Night’s Dream“, dass einem heiß und kalt zugleich wurde. Schade, dass solche im höchsten Maße „linientreuen“ Interpretationen des Mister B. in Deutschland Mangelware sind.

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Iana Salenko im Spagatsprung: Ihre „Dornröschen“-Darstellung stimmt bis aufs letzte „i“-Tüpfelchen. Foto: Yan Revazov

Aber dass Iana Salenko vom Staatsballett Berlin einfach eine ballettöse Alleskönnerin ist – das darf ich hoffentlich sagen, ohne ungerecht zu wirken oder Neid zu wecken. Sie ist nun mal so himmelhoch begabt und strebsam, dass man sich höchstens noch darüber streiten könnte, in welchen Rollen sie ihr kokett-unschuldiges Fluidum am stärksten entfaltet. Als Olga in „Onegin“ oder als doppelter Schwan im „Schwanensee“? Meiner Meinung nach als „Dornröschen“, aber viele lieben sie auch als Julia sehr…

Ich bitte nun um Vergebung, wenn ich hier so viele weitere erwähnenswerte Tänzerinnen und Tänzer nicht nennen kann – solche „Hitlisten“ sind zwangsläufig ungerecht, schon aus Platzgründen. Aber in den Einzelrezensionen steht dann doch zumeist recht viel über die einzelnen Solisten, manchmal auch Corps-Mitglieder. Bitte dort nachlesen!

Etwas anderes ist jetzt aber auch wichtig, und zwar das, was man das Große und Ganze nennen kann. Zu den Compagnien:

Das Schönste, auch am meisten Überraschende, war in 2016 für mich die Entdeckung des Dortmunder Ballettwunders von Xin Peng Wang.

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Leise und beharrlich, nicht laut und drängelnd: Choreograf und Ballettdirektor Xin Peng Wang hat sein Dortmunder Ballettwunder wohl verdient! Portraitfoto: Gisela Sonnenburg

Seine Kunst ist hochkarätig und intelligibel, vielschichtig und feinsinnig. Er kann mit Themen und Musiken von Klassik bis Pop, von Politik bis Liebe superviel anfangen; er macht Ballett ohne Staub, aber mit viel Drive, und dass er hoch gebildet ist, merkt man seinen Arbeiten absolut positiv, aber niemals aufdringlich an.

Ich muss hier mal weit ausholen:

In Dortmund, im tiefsten Ruhrpott, wo man eher Cluster von Fußballfans vermutet als ein gehäuftes Vorkommen von Ballettomanen, hat sich dank Wang eine so starke Bühnentanzkultur entwickelt, dass ich gewillt bin, all jenen, die diese noch nicht vor mir entdeckt und bundesweit bekannt gemacht haben, dafür zu danken.

Denn so darf ich den geneigten Ballettkennern im In- und Ausland verkünden, dass sich in der „Heimlichkeit“ der nordrhein-westfälischen Metropole Dortmund genau so eine Vereinigung aus klassischem Ballett und moderner Ästhetik vollzieht, wie sicher nicht nur ich sie jahre- und jahrzehntelang auch mal jenseits des Hamburg Balletts oder der Pariser Oper gesucht habe.

Und wie bei Neumeier in Hamburg hat man bei den Tänzerinnen und Tänzern vom Ballett Dortmund das Gefühl, dass sie von einer ganz besonderen inspirierenden Kraft erfasst und getragen werden.

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Zoltán Ravasz, Ballettmeister vom Ballett Dortmund, in Aktion: Training und Proben sind oft aufeinander abgestimmt. Foto: Gisela Sonnenburg

Bei Wang und seinen engen Mitarbeitern – als da sind: der außergewöhnliche Ballettmanager und rundum talentierte Ballettkünstler Tobias Ehinger, der sehr beschlagene und kreative Musik- und Ballettdramaturg Christian Baier sowie der strenge, erfahrene, kluge Ballettmeister Zoltán Ravasz – verbinden sich ergreifend schöne Ausdrucksformen mit gut fasslichen, dabei längst nicht plakativen Inhalten.

Ob „Der Zauberberg“ oder Wangs moderner „Schwanensee“, ob die beiden „Faust“-Ballette oder ob Wangs wunderbar lyrisch-dramatischer „Traum der roten Kammer“:

Schönheit und Tiefe, Hoffnung, Witz und Moral sind in diesen Balletten keine leeren Worthülsen.

Humanität und klassische Bildungswerte erhellen in Wangs Arbeiten zusammen mit einer feinen, ausbalancierten Expressivität den Horizont.

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Die Schlussapplaus-Atmosphäre beim Ballett Dortmund nach „Schwanensee“ in der Fassung von Xin Peng Wang: sehr stimmungsvoll! Foto: Gisela Sonnenburg

Vor allem aber:

Wangs Arbeiten beweisen, dass zeitgenössisches Ballett weder stilisierter Staub sein muss noch oberflächliche Dekogymnastik noch eine Wiederholung immer desselben. Sondern dass es in vieler Hinsicht das zu leisten in der Lage ist, was Sparten wie die Literatur oder das Sprechtheater gegenwärtig oftmals versäumen!

Da knistert und brilliert es, und obwohl Tanz die wortlose Kunst ist, wird er hier höchst beredt.

Wangs Ballette kriechen unter die Haut: um zu beleben, um nachdenklich zu stimmen und um Hoffnung zu machen!

Da gibt es denn auch kein „Ja, aber“, kein „Hallöchen und tschüss“. Da bleibt man dran und ist neugierig auf alles, was folgt.

Tanz ist hier mehr als nur Schmunzeln…

Wangs Werke faszinieren mit ihrer starken Gefühligkeit ebenso mit ihren aufklärerischen Aspekten.

Eine Gratwanderung, die selten so genial beschritten wird!

Und: Diese Faszination wird nicht weniger, sondern schwillt sogar an, wenn man Stücke von ihm oftmals und unter verschiedenen Gesichtspunkten ansieht und studiert.

Ein sicheres Zeichen für höchste Qualität!

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Klassisch schön im weißen Akt, oft aber auch sehr modern: „Schwanensee“ von Xin Peng Wang beim Ballett Dortmund. Foto: Ballett Dortmund

China hat – trotz zeitweiser politischer Differenzen mit Wang – bereits erkannt, dass der in Peking ausgebildete Tänzer und Choreograf, der sich darüber hinaus in Essen an der Folkwang Universität sein Knowhow über deutschen modernen Tanz holte, ein Großkünstler ist, den man sich nicht entgehen lassen sollte.

So wird derzeit eine spektakuläre Tournee vom Ballett Dortmund in das Reich der Mitte geplant.

Schließlich verbindet Wangs Arbeit auf vorbildliche Weise die Welt und die Welten, indem sie westliche und östliche, europäische, amerikanische, russische und chinesische Schönheitsideale und Traditionen reflektiert.

Von allem findet man hier das Beste!

Und so kommt das Leuchten aus Wangs Balletten sozusagen von innen.

Es handelt sich dabei definitiv um sinnlich erfahrbare Hochkultur, keineswegs um dekorativ arrangierten Pop, auch wenn manchmal Rockmusik integriert ist.

Ballett hat Herz, ist nicht steif oder verstockt. Das spürt man beim Dortmunder Ballettwunder ganz besonders.

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Dmitry Semionov und der Corps vom Ballett Dortmund auf der Probe für „Schwanensee“ im Ballettzentrum: eine konzentrierte, aber nicht verkrampfte Stimmung. Foto: Gisela Sonnenburg

Mich erinnert die Stimmung in Dortmund übrigens an die ersten zwanzig Jahre von John Neumeier in Hamburg, an die besten Jahre von Vladimir Malakhov in Berlin – und auch an die Zeit, als Marcia Haydée trotz unglaublicher Schwierigkeiten das Stuttgarter Ballett auf Weltniveau hielt.

Wenn man sich dagegen das heutige Stuttgarter Ballett anschaut, könnte man eine Heulkrise bekommen.

Ich kann es Ihnen und mir aber nicht ersparen, es will nicht gelingen, Scheuklappen aufzusetzen, um alles Negative zu übersehen:

Die einst schier unantastbare Hochburg des Balletts in Deutschland, also Stuttgart, wird langsam, aber unaufhaltsam, wie es scheint, eine Ruine ihrer selbst.

Viele Fans jubeln noch, vielleicht auch aus Gewohnheit. Aber Fakt ist, dass es in Stuttgart manchmal fast mehr Mitmach-Veranstaltungen im kleinen Rahmen fürs Publikum als Vorstellungen im großen Opernhaus gibt. Und das hat seine Gründe.

Beliebigkeit und Willkür scheinen den Spielplan zu prägen. Ein roter Faden, eine Entwicklung, ein Konzept ist nicht ersichtlich.

Die Uraufführungen beim Stuttgarter Ballett sind mehr oder weniger belanglos geworden. Mit Ausnahme der choreografisch leicht wiedererkennbaren Fantasien von Marco Goecke, der seinen „Nijinski“, sein absolutes Highlight dieses Jahr, aber mit der Company von Eric Gauthier und eben nicht mit dem Stuttgarter Ballett machte. Die Gauthier Dance Company ist ohnehin stark im Kommen.

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Exzellenz und Humor in einem Pas de deux: Elisa Carrillo Cabrera und Mikhail Kaniskin auf der Probe zu „Ballet 102“ von Eric Gauthier. Foto: Gisela Sonnenburg

Und Eric Gauthier gebührt für sein Gala-Glanzstück „Ballet 102“ – das er in Berlin mit der darin virtuos bezaubernden Elisa Carrillo Cabrera und dem souverän begeisternden Mikhail Kaniskin kreierte – unbedingt ein Preis.

Die meisten Ballettfans lieben nämlich Galas. Aber damit nicht immerzu nur die schon bekannten Stücke gezeigt werden, muss es solche witzig-glanzvollen Neukreationen geben: Kleine, „handliche“ Ballettpiecen, die genau für den Gala-Aufführungszweck passend gebaut sind. Ole!

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Eine typische Pose aus „Ballet 102“, von Mikhail Kaniskin und Elisa Carrillo Cabrera auf der Probe musterhaft blitzschnell serviert. Foto: Gisela Sonnenburg

Doch zurück zum Stuttgarter Ballett. Dort brilliert man immer weniger…

Dass der dortige Hauschoreograf Demis Volpi für seine „Geschichte des Soldaten“ den einmal jährlich vergebenen, hoch renommierten Prix Benois de la Danse in Moskau erhielt, ist meiner Meinung nach zweifelsfrei dem wie üblich funktionierenden Preissystem zuzuschreiben, nicht der Stückqualität.

Volpi galt seit seinem Glückstreffer „Krabat“ von 2013 (nach dem Kinderbuchklassiker von Otfried Preußler) als Kandidat für diesen Preis. Er hatte den Benois wohl schon in der Tasche, bevor sein „Soldat“ im MÄrz 2015 überhaupt uraufgeführt wurde.

„Krabat“ steht im Januar 2017 übrigens wieder auf dem Spielplan.

Ansonsten hat das Stuttgarter Ballett äußerste Mühe, das angestammte hohe tänzerische Niveau wenigstens teilweise zu halten.

Das liegt nicht an den Top-Ballerinen wie Elisa Badenes, Alicia Amatriain oder, als Nachwuchs-Begabung, Hyo-Jung Kang.

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Der Mond hat Schuld: Alicia Amatriain als Mond auf der Probe zu Demis Volpis Uraufführung „Salome“ nach Oscar Wilde. Faksimile von der Homepage des Stuttgarter Balletts: Gisela Sonnenburg

Es liegt am Schwund fähiger männlicher Tänzer in Stuttgart. All die tollen Primoballerini verließen das Haus in den letzten Jahren, nur Jason Reilly und Friedemann Vogel blieben. Letzterer tanzt zumeist aushäusig als Gastsolist irgendwo in der Welt – und Reilly wirkte des öfteren in der letzten Spielzeit ein bisschen müde, was angesichts des enormen Pensums, das er bewältigte, nur allzu verständlich war.

Warum nun in so einer Situation kein neues, woanders bewährtes Zugpferd engagiert wird, sondern der tanzende Fotograf und fotografierende Tänzer Roman Novitzky plötzlich zum Ersten Solisten befördert wurde, und zwar, ohne auch nur eine einzige Rolle zu tanzen, die das rechtfertigen würde, weiß niemand. Außer vielleicht Novitzky und seinem Chef, Ballettintendant Reid Anderson.

Ein neuer Prinz wurde für Stuttgart so nicht gewonnen. Und der männliche Nachwuchs der hauseigenen Schule reicht derzeit einfach nicht aus, um einen anspruchsvollen Spielplan zu füllen.

Man kommt schon schwer ins Rätseln über manche Vorgänge an einem so renommierten Haus…

Und es tut einem umso mehr in der Seele weh, wenn man weiß, welche hohe Kunst hier eigentlich zu Hause sein sollte. Das Erbe von John Cranko ist ja nun gewiss kein kleines…

Aber die Zeitläufte, sie machen vor Hürden nicht halt.

Ich muss betonen: Wer von Stuttgart enttäuscht ist, sollte unbedingt nach Dortmund fahren!

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Der Höhepunkt des Kalenderjahres: Lucia Lacarra und Marlon Dino in „Faust II – Erlösung!“ von Xin Peng Wang beim Ballett Dortmund. Foto: Bettina Stöß / stage picture

Überhaupt: Wer eine ganz wichtige Entwicklung des Balletts in Deutschland nicht verpassen will, sollte hinfahren. Und sich selbst ein Urteil über das Dortmunder Ballettwunder bilden!

Gerade die Dresdner haben den wenn auch relativ weiten Weg nötig!

Das Semperoper Ballett mausert sich nämlich gerade zur ballettösen „Haupttourneetruppe“ – es feiert seine Triumphe zunehmend vor allem jenseits von Dresden, etwa in Paris oder Antwerpen, vorzugsweise mit modernen Stücken, etwa von William Forsythe. So auch wieder im Januar 2017.

Das Dresdner Heimspiel indes, nun ja, wird seit dem Weggang des Starballerino und Choreografen Jiří Bubeníček immer weniger aufregend… es handelt sich um eine Compagnie im Wartezustand, scheint mir.

Da mutet es fast wie Schicksal an, dass Jiří Bubeníček vor zwei Jahren bereits für Wangs Truppe in Dortmund kreierte!

Meine Entdeckung vom Ballett Dortmund ist indes eng verknüpft mit dem grauenvollsten und schlimmsten Skandal, den wir in 2016 zu verkraften hatten.

Der damals erst kommende Münchner Ballettdirektor Igor Zelensky wollte den beiden fest mit der Compagnie des Bayerischen Staatsballetts verbundenen Weltstars Lucia Lacarra und ihrem Partner Marlon Dino kaum noch Auftritte in München zugestehen. Das kam einem Rauswurf gleich.

"Malakhov & Friends 2016" machte glücklich

Hand in Hand beim Applaus: Lucia Lacarra und Marlon Dino. Muss man da noch was zu sagen? Echt toll. Foto: Gisela Sonnenburg

Lacarra und Dino mussten sich von ihrer künstlerischen Verwurzelung in München lösen, um sich als Tänzerpaar weiterhin entwickeln zu können. Sie gingen gemeinsam.

Ihr erstes, gleich grandioses Projekt außerhalb von München war dann tatsächlich die Kreation der beiden Hauptrollen in „Faust II – Erlösung!“ von Xin Peng Wang in Dortmund – ein in jeder Hinsicht fulminantes Erfolgsprojekt.

Es wird denn auch genau dieses Stück sein, das Wang mit seiner Truppe bald in China zeigen wird – die Verhandlungen über die konkreten Spielstätten laufen schon. Herzlichen Glückwunsch!

Ist es nicht absurd, dass etwas so Fürchterliches wie der Rauswurf von Lacarra und Dino durch Zelensky so viel Gutes wie „Faust II – Erlösung!“ bewirkt hat? Denn ohne Lucia und Marlon wäre Xin Peng Wang nicht auf die Idee gekommen, das Stück genau jetzt genau so zu machen.

Dank an Wang, und Dank an Lucia und Marlon!

So hat das Münchner Schockerlebnis des ablaufenden Jahres 2016 auch seine guten Seiten.

Ein weiterer Schock betrifft allerdings das Staatsballett Berlin, welches das Damoklesschwert der drohenden Übernahme durch Sasha Waltz noch immer nicht los ist. Die tapfere Truppe, die erfolgreich für höhere Gehälter und bessere Arbeitsbedingungen streikte – weltweit war das einmalig im Ballett – sieht sich nun ziemlich auf die Folter gespannt.

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Hätten beim Bolschoi keine Chancen auf ein Direktorat: Sasha Waltz und Johannes Öhman. Das Staatsballett Berlin wehrt sich gegen diese beiden als Doppelspitze der Ballettintendanz ab 2019. Foto: Zeisberg

Es wäre das erste Mal in der Ballettgeschichte, dass eine Ballettleitung eine Compagnie gegen deren erbitterten Willen zum Erblühen bringen könnte. Klaus Lederer (von den Linken), Berlins neuer Kultursenator, ist hier stark gefordert… Sollte er bei Sasha Waltz als Kandidatin bleiben, wird er damit seine Verbindung zur Berliner SPD festigen. Aber als Kultursenator würde er damit nicht überzeugen.

Ballett und Tanztheater sind einfach zu verschiedene Schuhpaare, um sie solchermaßen zwangsverheiraten zu wollen.

Ein anderer Schock des Jahres 2016 betrifft erstmal nur mich selbst. Nach über zwei Jahren, seit ich das Ballett-Journal gestartet habe, musste ich zur Kenntnis nehmen, dass sich zwar die Akzeptanz vom Ballett-Journal auf hohem Niveau gefestigt hat, dass andererseits aber auch der Hass und der Neid kräftig wachsen.

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Marcel Reich-Ranicki im Kaleidoskop der Google-Bilder-Suche: ein Januskopf als Kritiker, aber unbestechlich in der Meinungsfindung. Faksimile: Gisela Sonnenburg

Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki, den ich gut kannte, hatte mir seinerzeit erzählt, dass er in seinen Anfängen als Meinungsmacher so oft so hässlich angefeindet wurde, dass er manches Mal nahe dran war, aufzugeben, um sich seiner heimlichen Liebe, der Oper, zu widmen. Er glaubte, es sei fachspezifisch und läge auch an seinem Judentum, wenn man ihn mobbte und diskriminierte. Er sei Jude nicht honoris causa, sondern doloris causa, erklärte er: nicht für die Ehre, sondern aus Schmerzen.

So weit will ich nicht gehen. Aber ich muss mir überlegen, wie ich weiter mache.

Ich habe bis heute 325 Beiträge hier im Ballett-Journal online gesetzt, die meisten davon sind so umfassend, dass sie in anderen Medien zwei oder drei oder noch mehr Artikel füllen würden.

Die Fotos – und derer gibt es Tausende – habe ich sorgfältig und nach den Richtlinien einer ganz bestimmten eigenen Ästhetik hergestellt, ausgewählt und bearbeitet, den Anforderungen der Internet-Optik gemäß und auch im Hinblick auf eine ganz bestimmte positive Wirkung des Balletts.

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Ein Blick ins Bildarchiv vom Ballett-Journal: Jedes Foto wird einzeln aufwändig bearbeitet, allerdings nicht manipuliert! Faksimile von Bildern, die beim Ballett Dortmund entstanden: Gisela Sonnenburg

Zwar bekomme ich für beides, für Texte und Fotos, viel Zuspruch von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser! Und ich danke Ihnen dafür sehr.

Auch interessierte Anfragen kommen und bezeugen das Interesse am Ballett-Journal, vor allem aus Deutschland, aber auch aus der Schweiz, Österreich, Schweden, England und Paris, sogar mal aus Südafrika.

Websites in den USA zitieren Gisela Sonnenburg und das Ballett-Journal, ebenso russische und japanische Homepages. Übersetzungsprogramme im Internet machen’s möglich! Man freut sich – und kontrolliert die Quoten.

Seit über einem Jahr ist die Leserquote vom Ballett-Journal stabil hoch, sie liegt bei zwischen 400 und über 1500 Lesern pro Tag. Und in den zwei Jahren seines Bestehens habe ich mit dem Ballett-Journal nachweislich insgesamt über eine Viertelmillion Leser aus dem In- und Ausland erreicht. Das ist für eine Nische, wie Ballett in den deutschen Metropolen es ist, allerhand.

Aber wie selbstverständlich wird von allen angenommen, ich müsse meine wirklich nicht geringe Arbeit hier zwar perfekt, aber zum Nulltarif abliefern.

Da, wo andere Medien vielleicht etwas dröge, langweilig, fehlerhaft oder beliebig schreiben, soll ich – weil ich ja neu auf dem Markt bin – bitteschön ganz allein alles vollkommen machen.

Kosten darf das Ganze aber nichts?

Sie, liebe Leserinnen und Leser, geben für jede Tageszeitung und für jedes bunte Blättchen, das Sie im Abonnement haben oder am Kiosk kaufen, Geld aus.

Manches davon gibt es zusätzlich kostenlos im Internet – aber längst nicht alles.

Da ich nicht mit etlichen Millionen Startkapital angetreten bin, sondern die Konzeption vom Ballett-Journal sich auf preiswerte Herstellungskosten konzentieren muss, sind Hochglanz-Druckausgaben leider nicht möglich.

Aber auch so sind in letzter Zeit mehr Kosten aufgelaufen, als eingeplant – und ich muss, auch wenn mir das schwer fällt, jetzt Sie bitten, dem Ballett-Journal etwas zu spenden, damit dieses Projekt hier weiter gehen kann.

Ich halte fest: Ich bekomme kein Gehalt, keine Subventionen, keine Förderung, keine Zuschüsse – und auf dem verhärteten, gegen Neulinge mauernden Anzeigenmarkt auch nicht allzu viel bezahlte Werbung.

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Von Bertolt Brecht stammt das Bonmot, es sei menschlicher, eine Bank zu überfallen als eine zu gründen. Aber hier geht es weder um das Eine noch um das Andere. Es geht um schlichte Überweisung mit dem Zweck, das Ballett-Journal zu erhalten. Bitte spenden Sie jetzt! Faksimile: Gisela Sonnenburg

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Auch wenn Ihnen das gerade bei einer Journalistin sehr befremdlich vorkommt.

Aber Medien müssen sich heute, um unabhängig zu sein, neu und in der Art von Selbsthilfeprojekten gründen.

Universitäten und Firmen stehen solchen neuen Projekten zwangsläufig skeptisch gegenüber und begreifen sie zudem nicht selten als unliebsame Konkurrenz für bestehende Medien.

Auf der anderen Seite steht die Fülle zumeist unbezahlter Arbeit hier:

So ein Projekt wie das Ballett-Journal macht derart viel Arbeit, dass nur Idealisten das überhaupt durchstehen.

Man steht von daher als Journalist auf einmal mittellos da – obwohl man Erfolg hat und reichlich gelesen und diskutiert wird (das ist das Ziel von Journalismus, nicht das kritiklose Abgenicktwerden – was die Sache mit dem Geldeinsammeln erschwert).

Es war ein Wagnis, so etwas wie das Ballett-Journal zu gründen, und bis jetzt ging es immer irgendwie gut. Aber momentan weiß ich nicht weiter – und bitte Sie inständig um Ihre Hilfe!

Ob Sie nun einen oder zehn, hundert oder tausend Euro geben, hängt von Ihrem Willen und Vermögen ab.

Aber bitte überwinden Sie sich und Ihre Vorbehalte – und denken Sie daran, dass meine vielen Arbeitsstunden Ihr Gewissen nicht erleichtern können.

Die Weihnachtszeit mit all ihren christlichen Bittstellern hat Ihnen ja vielleicht auch den Sinn dafür geschärft, dass es nicht immer genügt, sich auf die vorgebliche Fairness wirtschaftlicher und sozialer Vorgänge zu verlassen.

Wenn ich Sie, geneigte Leserinnen und Leser, zudem für Ihre Spende öffentlich bedanken darf, dann schicken Sie bitte eine E-Mail mit Ihrem Namen unter dem Stichwort „Mäzen“ an: info@ballett-journal.de

Ansonsten bleibt Ihre Spende anonym.

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Mit Kerzenlicht und einem Licht der Hoffnung ins neue Jahr… Foto: Gisela Sonnenburg

Die Namen jener Mäzenaten, die gern genannt werden möchten, werden am 31. Januar 2017 veröffentlicht, zusammen mit der Geldgesamtsumme, die bis dahin eingegangen ist.

Dann werden auch die Namen jener Ballettkünstlerinnen und Ballettkünstler veröffentlicht, die meine Spendenaktion dankenswerterweise moralisch, nicht finanziell unterstützt haben.

Außergewöhnliche Projekte erfordern nun mal außergewöhnliche Maßnahmen.

Und jetzt überwinden Sie sich bitte und machen Sie etwas absolut Ungewöhnliches: Opfern Sie einen Obolus für Ihr Ballett-Journal!

Gisela Sonnenburg

Und außerdem wünsche ich Ihnen natürlich:

EIN WIRKLICH TOLLES NEUES JAHR,

MIT VIELEN, VIELEN, WUNDERSCHÖNEN

BALLETTERLEBNISSEN! 

www.hamburgballett.de

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