Wenn die Toten munter auferstehen Gestern vor einem Jahr starb Filmstar Robin Williams – morgen sendet VOX die Auferstehungskomödie „Nachts im Museum“

Robin Williams war einer der größten Schauspieler.

Robin Williams als „Teddy“ Roosevelt in „Nachts im Museum“ (Regie: Shawn Levy): ein klug-witziger Präsidentschaftsanwärter. Foto: Prom

Es ist ein lauter Film mit einem krachledernen Humor und viel Klamauk. Subtil geht anders – aber dafür bietet „Nachts im Museum“ von 2006 (im Original: „Night at the Museum“) ein fantasievolles, actionreiches, märchenhaft durchgeknalltes, irrversibel lustiges Drehbuch. Darin geht es um einen früh im Leben Gescheiterten, der den Job als Nachtwächter in einem Museum annimmt – unter besonderen Bedingungen. Denn dank eines pharaonischen Zaubers werden alle ausgestellten Exponate, die Lebewesen darstellen, bis Sonnenaufgang wieder lebendig: die Auferstehungskomödie kann beginnen. Robin Williams, der sich vor einem Jahr das Leben nahm, spielt darin einen schelmisch-klugen, witzig-ratlosen, korrekt-inkorrekten Präsidenten Theodore Roosevelt, dessen museale Wachsfigur lebendig wird – und zwar in einer Uniform, die Roosevelt im Spanisch-Amerikanischen Krieg drei Jahre vor seinem Amtsantritt trug.

Robin Williams war einer der größten Schauspieler.

Hoch zu Ross, aber wild wie ein Cowboy, auch als kommender Präsident der Vereinigten Staaten: Die Kostümwahl in „Nachts im Museum“ ist Robin Williams und seinem Temperament angepasst. Foto: Prom

Warum ausgerechnet die Bildnisse dieses noch verhältnismäßig jungen Roosevelt als Kostümvorbild gewählt wurden, liegt auf der Hand: Später wurde sein Gesicht teigig, dicklich, aufgedunsen, vermutlich litt er unter einer Schilddrüsenunterfunktion. In den vornehmen Zivilanzügen, in denen Roosevelt als Präsident portraitiert wurde, kommt er als bräsiger, langweilig-seriöser Besserwisser rüber. Als flotte Komödienfigur in hellbrauner Uniform hingegen gibt er hingegen für ein schmissiges Drehbuch viel mehr ab: Darin ist er der lustige Cowboy, der klamottige Aufsteiger, der schelmische Sieger. Und damit genau passend für das sehr spezielle Schauspieltalent von Robin Williams (21. Juli 1951 – 11. August 2014), der einer der besten Schauspieler seiner Zeit war.

Geboren in Chicago, wuchs er als Sohn eines leitenden Angestellten und einer Gründerin einer Modelagentur in der Nähe der ehemaligen Arbeiterstadt Detroit auf. Dass der jugendliche Robin es nicht leicht hatte, zur Kunst zu kommen, prägte ihn. Sein Selbstverständnis als Rebell gegen das kleinbürgerliche Elternhaus war ihm so wichtig, daß er es in der Rede erwähnte, mit der er 1998 den „Oscar“ als bester Nebendarsteller für „Good Will Hunting“ entgegennahm.

Mit viel Fleiß und auch Glück ging er seinen Weg: Talentscouts aus New York hatten ihn dereinst an die Juilliard School geholt, wo er sich handwerklich vom nuancierten szenischen Darsteller bis zum Stand up Comedian rundum ausbilden ließ. Spontan Witze zu machen, auch körperlich, mit Gesten, war dabei stets Grundlage seines Könnens.

Und schon mit der 1978 startenden TV-Sitcom „Mark & Mindy“ („Mork vom Ork“) wurde Robin in der Titelrolle ein Superstar. Wendig, witzig, wuselig war er darin, für Kinder und für Junggebliebene der beste Freund aus weit entfernten Sci-Fi-Sphären. Es folgten Filmbestseller wie „Garp und wie er die Welt sah“ (1982), „Moskau in New York“ (1984), „Good Morning, Vietnam“ (1987), „Hook“ (1991), „Toys“ (1992) und, mit bravourösem Travestie-Charme, „Mrs Doubtfire – Das stachelige Kindermädchen“ (1993). Menschlich wirkte er dabei immer, auch wenn die hohe Kunst der Schauspielerei mitunter eine Menge Überzeichnung der Charaktere verlangt.

Das Komische mit einem Hauch von Tragik – das war Robin Williams’ ureigenes Gebiet.

Querköpfe, Renitente, Unwillige – Robin konnte solche Rollen zu vor Lebenskraft nur so sprühenden Charmebolzen machen. Privat war Williams allerdings eine ganz zarte, verletzliche Seele, schnell zu verprellen und wegen starker Depressionen stets gefährdet. Er litt unter dem starken Leistungsdruck, unter dem Zwang zur steten Massentauglichkeit in seiner Branche – vielleicht wäre er als Theaterschauspieler in Europa glücklicher geworden denn als Filmstar der Marke Hollywood.

In der Besetzungshierarchie war indes klar: Robin Williams war unersetzlich. Als rundum lustige Type in der Art eines „Hans im Glück“; als ein „Gerade-noch-mal-gut-gegangen-Held“, der scheinbar von Szene zu Szene immer noch grandioser in seinem Klamauk wird.

Es ist denn auch zumeist unmöglich, nicht mit Williams über ihn und bis zum Exzess zu lachen.

Die andere, die eher ernste Seite an ihm wies ebenfalls auf Radikalität hin. Er spielte dann – oft mit hintergründig-wissendem Lächeln und gern auch mit belehrend schief gelegtem Kopf – den ehrenwerten Wahrheits- und Gerechtigkeitsfanatiker, der gegen das Böse und sogar Ultraböse bestehen muss. Wie auch immer: Sexiness bezog Williams aus der Lebendigkeit und Dynamik seines Spiels, nicht etwa aus angezüchteten Muskeln oder aufgesetztem „Ich-bin-schön-Narzissmus“.

Kurz: Er war ein clownesk-grotesker Peter Pan – und dennoch zugleich ein gefühlvoller Überlehrer wie aus dem Bilderbuch. So eine explosive Mischung begeistert und fasziniert – weltweit kann sich ein Millionenpublikum dem bis heute nicht entziehen.

Die Welt vermisst ihn und wird es noch lange tun – und ich werde mich vor allem daran erinnern, wie es war, ihm persönlich zu begegnen.

Er war 2004 in Berlin, mit einem Film im Gepäck, der für Williams’ Künstlerprofil eher untypisch war: „The Final Cut – Dein Tod ist erst der Anfang“ wurde auf der Berlinale vorgestellt. Mit nur mäßigem Erfolg. Der Sci-Fi-Thriller von Omar Naim, in dem es darum geht, dass Menschen heimlich eine Kamera in ihrem Kopf tragen, die ihr gesamtes Leben aufzeichnet, ist zu verkopft, um direkt ans Herz zu gehen.

Williams aber spielte seinen Part – die Hauptrolle – brillant: einen von einer skrupellosen Mafia Gejagten, dem man sein Hirnimplantat (die Kamera) und somit sein Leben herausschneiden will, weil er einen Mord beobachtete.

Es geht also um die Gefahr, in der man schwebt, wenn man Zeuge oder Überlebender eines Kapitalverbrechens ist.

Auf der Berliner Pressekonferenz zu diesem Streifen zeigte sich der Filmstar Williams gelassen – er wusste, daß seine Fans sowieso wegen ihm den Film ansehen würden. Und nicht wegen der etwaig vorhandenen oder auch nicht vorhandenen Drehbuchqualitäten. Diese zu rechtfertigen, machte er sich keine Mühe – ein sympathischer Zug, zudem absolut untypisch für den „Wir-sind-immer-die-Besten“-Größenwahn der Kulturindustrie.

Robin Williams war einer der größten Schauspieler.

Vornehme Treppen: Das Natural History Museum diente als Kulisse für „Nachts im Museum“, für Innen- und für Außenaufnahmen. In der Mitte: Robin Williams als lebendig gewordener Roosevelt. Foto: Prom

Von privaten oder gesundheitlichen Problemen war dem seine seriös-solide Heiterkeit ausstellenden Williams damals nichts anzumerken.

Dabei hatte er damals bereits eine Odyssee durch die Suchtlabyrinthe hinter sich: mit Drogen und zuviel Alkohol, mit Depressionen und mit Alkohol, dann wieder mit Depressionen, die er medikamentös behandeln ließ. Und er gehörte nicht zu denen, die diese Schattenseiten schamhaft verstecken.

Selbstbewusst outete er sich, als er sich 1983 nach einer Entziehungskur selbst als clean verstand. Von seinen späteren Rückfällen ahnte er da noch nichts. Aber der Druck der Außenwelt, zum Einen als Schauspieler durch geschickte Vortäuschung glaubhaft zu sein und zum Anderen ohne Psychodrogen wie Alkohol und Antidepressiva stets authentisch zu sein, rieb ihn auf.

Als er dann noch zunehmend an Morbus Parkinson erkrankte, was ihm langfristig das Arbeiten verunmöglichen würde, gab er sich auf. Er hinterlässt mit Susan Schneider eine Witwe sowie drei erwachsene Kinder aus zwei vorangegangenen Ehen.

An einem Montagmorgen im August 2014 wurde der 63-jährige Robin Williams in seinem Haus in Tiburon bei San Francisco tot aufgefunden. Die Autopsie bestätigte den Tod durch Erhängen. Das ist ein langsames, aber rauschhaftes Sterben: Sauerstoffmangel bewirkt die Ausschüttung etlicher Botenstoffe, darunter Gückshormone. Dennoch: kein schöner Tod.

Robin Williams war einer der größten Schauspieler.

Ausbruch aus einem Museum: Robin Williams (zweiter von links) als Roosevelt (oder als lebendig gewordene Roosevelt-Wachsfigur, was vielleicht ein Unterschied ist) im Film „Nachts im Museum“. Foto: Prom

Man könnte nun sagen, es sei ein typischer Schauspielertod. Stürzen diese scheinbaren Inhaber wechselnder Identitäten sich nicht regelmäßig aus Fenstern, ins Wasser, in den Tod durch Drogen und Medikamente oder eben, wie Williams, ins Ableben durch Selbsthinrichtung am Strang? Ist es nicht geradezu an der Tagesordnung, dass eine jener bedauernswerten Ikonen, die mit ihrem Talent zu Stars wurden, ohne damit zurecht zu kommen, der Welt vorzeitig ganz den Rücken kehren will?

Der Fall scheint hier anders zu liegen. Das Auftreten einer Krankheit, die die künftige professionelle Berufsausübung zu verhindern mag, kann ein Faktor sein, der alle Hoffnung nimmt – zumal, wenn man so besessen von seiner Kunst ist wie Robin Williams. Es gibt aber, auch das sei nicht verschwiegen, auch Fälle, in denen Antidepressiva – Rückstände davon fand man in Williams’ Blut – ihre Wirkung verkehren und zu Suizidverhalten führen. Vor allem bei jungen Patienten ist das klinisch bewiesen – und natürlich kann man die Nebenwirkungen einer chemischen Substanz auch bei älteren Konsumenten nie ganz sicher berechnen.

Brachte Williams also genau das um, das ihn retten sollte?

Er war in ärztlicher Behandlung, letztlich umsonst. Aber vielleicht passt ein solcher scheinbar frei gewählter Tod auch zu einem Mann, der trotz äußerlich großen Erfolgs ohne rosarote Selbstbenebelungstaktik nie ganz bei sich war. So sehr er auch sich und sein Wirken in der Welt kontrollieren wollte – sogar in moralischer Hinsicht.

Das tat Williams vehement:

Robin Williams war einer der größten Schauspieler.

Ein Mann mit Charakter: Robin Williams war nicht nur einer der besten Schauspieler seiner Zeit, sondern auch einer derjenigen mit am meisten Haltung. Werbung für minderwertige Produkte lehnte er nämlich ab. Foto: Prom

So verzichtete er aus Überzeugung auf lukrative Werbeverträge und hatte dadurch im Vergleich zu anderen Mimen eine durchaus weiß zu nennende Weste. Denn die meisten Stars sahnen mit Werbung für oftmals wirklich zweifelhafte Industrieprodukte saftig ab, sie kassieren jährlich Millionengelder mit der „Goldbären“-Masche. Williams fand das verantwortungslos und unkünstlerisch. Er redete öffentlich darüber, ein Sakrileg in den USA – dafür nahm er Feindschaften in Kauf.

VOX zeigt ihn in einer seiner merkwürdig-munteren Rollen. Als „Teddy“ Roosevelt vereint Robin Williams in „Nachts im Museum“ beide Seiten seines tragikomischen Talents: Das Aufklärerisch-Kluge mit dem Hilflos-Klamaukigen. Auch wenn es nicht sein bester Film ist – er ist sehenswert. Und wenn die Toten auferstehen – warum soll es dabei nicht staunenswert komisch und mit einem Touch von Absurdität zugehen?

Robin Williams war einer der größten Schauspieler.

Eine illustre Autofahrt mit historischen Persönlichkeiten… Robin Williams als Rossevelt (zweiter von links) in „Nachts im Museum“. Foto: Prom

Als engagierter Englischlehrer in „Der Club der toten Dichter“ (1989) aber hatte Robin Williams zweifellos mehr Einfluss: Da prägte er das Lyrik-Verständnis einer ganzen Generation von Kinogängern. In diesem Filmplot, dessen bemerkenswertes Drehbuch von Tom Schulman stammt, nimmt sich ein Student das Leben, weil er den profanen Anforderungen seines Vaters nicht zu genügen vermag.

Irgendwie erinnert Williams’ Tod auch an dieses fiktive Schicksal. So unterlag der für andere immerzu Muntere den Machenschaften einer Vergnügungsindustrie, die ihren eigenen Protagonisten skrupellos die Lust am Leben ebenso raubt wie die Kraft, darum zu kämpfen.

Hollywood kann seine diesbezügliche Unschuld nicht mehr beweisen.

Robin Williams war einer der größten Schauspieler.

Robin Williams noch einmal ganz nah: als Rossevelt in „Nachts im Museum“. Foto: Prom

„Wer stark ist, kann sich erlauben, leise zu sprechen“, sagte Roosevelt mal.

Robin Williams ging von uns, ganz leise, und ob er dabei stark wie ein heldisches Mannsbild war oder schwach wie ein allein gelassenes Kind, spielt dabei keine Rolle mehr.

„Nachts im Museum“: am Donnerstag, 13. August 2015, um 20.15 Uhr auf VOX (Wiederholungen: nachts um 0.45 Uhr und 2.35 Uhr)

 

 

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