„Manchmal muss ich allein eine Entscheidung fällen“ Doug Fullington, Rekonstrukteur von „Paquita“ anhand der Stepanov Notations, im Interview

Doug Fullington

Doug Fullington (links) mit Alexei Ratmansky in München bei der Arbeit im Ballettsaal. Foto: Wilfried Hösl

Die neu rekonstruierte Fassung von „Paquita“, die in München läuft, basiert auf den so genannten Stepanov Notations, die in der Harvard Collection verwahrt werden. Es ist einerseits erstaunlich, wie präzise man damals schon Aufzeichnungen von Choreografien tätigte, andererseits ist aber auch nicht immer alles verständlich. Im Folgenden geht es um die grundlegenden Sachverhalte dazu.

Ballett-Journal: Seit wann weiß man, dass die Stepanov Notations, die aus der Zeit um 1900 aus Sankt Petersburg stammen sollen und die in einem Notationssystem damalige Choreografien schriftlich dokumentieren, existieren?

Doug Fullington: Die meisten Stepanov Notationen stammen aus der Zeit von 1892 bis 1915. Sie wurden 1918 in den Westen gebracht und 1969 nach Harvard verkauft. Praktisch verwertet werden sie erst wieder seit 1998.

Ballett-Journal: Welche anderen Ballette können anhand der Stepanov Notationen rekonstruiert werden (ohne etwa „Die Tochter des Pharao“, die seit Ihrer Rekonstruktion mit Pierre Lacotte bekannt ist)?

Doug Fullington: In Ergänzung zu dem, was bereits gemacht worden ist:  „Le Roi Candaule“, „Das bucklige Pferdchen“ und andere.

Mai Kono

Eine typische Petipa-Pose: Mai Kono nicht als, aber in „Paquita“ beim Bayerischen Staatsballett. Foto: Wilfried Hösl

Ballett-Journal: Wie kamen Sie dazu, die Stepanov Notationen lesen zu lernen?

Doug Fullington: Ich habe Anfang der 90er Jahre angefangen, sie zu lesen. Ich habe dabei den Führer benutzt, den Alexander Gorsky 1899 geschrieben hat.

Ballett-Journal: Ist Ihre Arbeit mit diesen Dokumenten manchmal sehr schwierig?

Doug Fullington: Sie ist manchmal schwer, wenn die Schriften unleserlich oder musikalisch verwirrend sind. Dann muss ich allein eine Entscheidung fällen, im Hinblick darauf, was gemeint sein könnte.

Ballett-Journal: Wie war Ihre besondere Erfahrung mit „Paquita“?

Kinder-Mazurka

Die „Kinder-Mazurka“ aus „Paquita“ in München, mit Schülerinnen und Schülern der Ballett-Akademie. Foto: Wilfried Hoesl

Doug Fullington: Ich liebe die „Kinder-Mazurka“ (Anmerkung: eine große Kinderballett-Nummer, bei der Jungs und Mädchen Paare bilden) und konnte sie schon im April dieses Jahr aufführen. Ich war dann sehr darauf gespannt, in München mit Alexei Ratmansky zu arbeiten, der ebenfalls die Stepanov Notationen lesen kann. Insgesamt habe ich eine Menge aus dieser Erfahrung gelernt.

Ballett-Journal: Als Musiker, in Ihrem zweiten Beruf, haben Sie komplett andere Aufgaben. Oder kann man das irgendwie vergleichen?

Doug Fullington: Die Stepanov Notationen sind wie Musik geschrieben, das hilft uns, den Rhythmus des Tanzes mit dem der Musik abzugleichen.
Gisela Sonnenburg

Siehe auch die beiden Berichte zu Ratmanskys „Paquita“ in München:

http://ballett-journal.de/der-kluge-berserker/

http://ballett-journal.de/loblied-der-weiblichkeit/

Und sehen Sie hier vorbei:

www.staatsballett.de

UND SEHEN SIE BITTE INS IMPRESSUM: www.ballett-journal.de/impresssum/

ballett journal