Eine Andacht voller Glanz und Seele Liebes Publikum, hol ihn dir zurück! „Malakhov & Friends 2016“ begeisterte im Berliner Admiralspalast mit Vladimir Malakhov, mit Diana Vishneva, Rainer Krenstetter, Lucia Lacarra... und jeder Menge Glück

"Malakhov & Friends 2016" machte glücklich

Vladimir Malakhov und Diana Vishneva – Weltstars bei „Malakhov & Friends 2016“, hier umjubelt nach ihrem Auftritt in Hans van Manens Stück „The old Man and Me“. Eine Sternschnuppenstunde der Ballettgeschichte! Foto: Gisela Sonnenburg

Wir haben ihn wieder! Deutschland, also Berlin, hatte für zwei Abende voller Brillanz die bedeutende Koryphäe Vladimir Malakhov live zurück! Mit ihm kamen mehr als ein rundes Dutzend seiner illustren Starkollegen – und was sie uns in der aktuellen Ausgabe von „Vladis“ traditioneller Gala-Reihe „Malakhov & Friends“ schenkten, war das pure Glück. Im Berliner Admiralspalast, dieser wunderbar ehrwürdigen, auch typisch Berlinerischen Institution, die eine intime Atmosphäre hat, obwohl es sich um ein großes Haus handelt, tanzten Malakhov und seine illustren FreundInnen mit einer Verve und einer Hingabe, mit einer Souveränität und einer Leidenschaft, als sei das klassisch-moderne Ballett soeben neu erfunden worden. Das Berliner Publikum sollte sich überlegen, was es vor zwei Jahren verloren hat, als Malakhov die Intendanz des Berliner Staatsballetts grundlos und trotz enormer Erfolge abgeben musste…

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Diese weltberühmten Füße gehören Lucia Lacarra, der am meisten ausgezeichneten Primaballerina unserer Tage… Foto vom Applaus: Gisela Sonnenburg

Aber jetzt gab es einen Freitag und einen Sonnabend voller Höhepunkte. Allen voran euphorisierten Lucia Lacarra und Marlon Dino sowie natürlich der Gastgeber Malakhov (der auch schon oft mit Lucia Lacarra tanzte) – jetzt mit Diana Vishneva! Der Applaus brandete teils länger als zehn Minuten, nach den einzelnen Gala-Stücken. So etwas habe ich noch nicht erlebt.

Aber auch Rainer Krenstetter und Tricia Albertson aus Miami wurden ausgiebig gefeiert, und Denis Rodkin und Julia Stepanova aus Moskau sowie Victoria Brileva und Fedor Murashov aus Sankt Petersburg zeigten, welch erhabene Kraft Ballett auch und gerade auf einer Gala haben kann und soll.

Welch eine geballte Ladung Kraft und Schönheit, Zartheit und Eleganz!

Und, für viele überraschend: Auch die virtuose Ausdruckstänzerin und Außenseiterin Emi Hariyama, die fabelhaften Mizuka Ueno und Luigi Bonino boten Show and Style vom Feinsten!

Ach, man weiß gar nicht, wo man anfangen soll, den interessierten Lesern zu berichten. Es war ja so aufregend, so prickelnd, und diese Spannung, die von Anfang an bestand, baute sich im Laufe des Abends immer noch stärker auf.

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Applaus, Applaus, Applaus! Am 3.9.2016 (Foto vom 2.9.16) gab es etwa zwanzigminütige Standing Ovations… Foto aus dem Berliner Admiralspalast: Gisela Sonnenburg

Natürlich fragte man sich vorab: Wird es auch so sein, wie man es erhofft? Die Überraschung: Es war noch besser.

Die Mischung des Programms stimmte bis aufs kleinste Detail, man erlebte sozusagen einen Rundumschlag mit Highlights der Klassik und erfuhr trotzdem Neues von der Avantgarde.

Das heimliche Leitmotiv der Gala aber war die Beziehung der Tänzer zu ihrer Kunst, ihre Liebe zu ihren Rollen und Partien, auch die zueinander.

Zu Beginn ein Tanz gewordener Befreiungsschlag von Maurice Béjart: „Cinq Préludes pour Violincelle“ nach Musik von Bach zeigt, welches Glück die Freiheit ist.

In diesem Fall geht es um die Freiheit von der Heuchelei, denn der durchaus auch humoristische Pas de deux kreist um Homosexualität. Man muss bedenken, dass in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts auch in Mitteleuropa Schwulsein noch mit Gefängnis bestraft werden konnte, mit Ächtung allemal.

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Mika Yoshioka und Galiotto Mattia vom Béjart Ballet Lausanne beim Schlussapplaus. Foto: Gisela Sonnenburg

Also streichelt der Tänzer (toll präsent: Galiotto Mattia) vom Béjart Ballet Lausanne seine Bassgeige, die er in den Händen hält, bevorzugt heimlich. Das Musikinstrument steht für den imaginierten homosexuellen Partner, die Musik dazu vom Tonband illustriert, wofür das Herz dieses jungen Mannes so leidenschaftlich schlägt.

Da hat die Tänzerin Mika Yoshioka keine Chance, als erotische Attraktion des jungen Mannes wahrgenommen zu werden. Aber sie genießt ihre eigene Emanzipation, auch die Gleichberechtigung der Frau bahnte sich ja in unserem Kulturkreis vor allem nach den 60er Jahren ihren Weg.

Doch die Paartänze der beiden sind entsprechend witzig-querulantisch, schräg, gekonnt, komisch – aber für beide bewusst nicht das Gelbe vom Ei.

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Mika Yoshioka vom Béjart Ballet Lausanne beim Schlussapplaus. Foto: Gisela Sonnenburg

Als er sie schließlich wie ein Bügelbrett einfach abtransportiert und in den Kulissen abstellt, sie also von der Bühne und aus seinem Leben entfernt hat, ist er erleichtert und gewinnt spürbar an Lebensenergie.

Da springt er frohen Herzens herum, und die Choreografie erinnert an die des jungen Siegfried in Maurice Béjarts „Ring um den Ring“. Ja, der geniale Béjart stand zu seiner eigenen sexuellen Ausrichtung, und er wusste, welches brisante Potenzial in ihr steckt.

Es gehört zur Geschichte des modernen Balletts, dass man über Homosexualität tänzerisch reden und sie zeigen darf – und entsprechend geht es weiter mit „Soul“ („Seele“) von dem Ungarn Lázló Velekei. Zur elegischen Musik von Max Richter kreierte er einen Männerpaartanz voll erotischer Energie, geschmeidiger Akrobatik, sinnlicher Kultiviertheit.

László Major und Daichi Uematsu von Györ Dance Groups legen damit eine extrem anrührend-aufregende Sache hin, von der viele – nicht nur Schwule – noch lange träumen werden.

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László Major von der freien, mutigen Gruppe Györ Dance Groups aus Budapest. Foto vom Applaus: Gisela Sonnenburg

Die Harmonie zweier ähnlich gebauter Körper, also zweier Männer, kann ja sehr ästhetisch sein, zumal, wenn es sich um so ausgesprochen schöne Menschen handelt wie hier.

Wie bei seelenverwandten Artisten verschmelzen bei dem hoch begabten Tänzerpaar die Kraftfelder. Toll.

Ach, aber auch das ist noch steigerungsfähig!

Mit einem Pas de deux aus George Balanchines „A Midsummer Night’s Dream“ („Ein Sommernachtstraum“) zelebrieren Tricia Albertson und Rainer Krenstetter – der gebürtiger Wiener ist – eine unglaublich feine, sublime, bildschöne Liebesutopie.

Es ist schade, dass der neoklassische Meisterchoreograf Balanchine nicht mehr sehen kann, zu welchen Höhenflügen er Tänzer inspiriert.

Hier stimmen die Linien, die Weichheit, die Spannung – und obwohl die Choreografie vor komplizierter Details nur so strotzt, wirkt doch alles leichtfüßig, anmutig, reibungslos.

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Blumen zum Schlussapplaus! Vladimir „Malakhov & Friends“: 2016 im Berliner Admiralspalast der Höhepunkt der Berliner Saisonen. Foto: Gisela Sonnenburg

Ganz so, als seien Menschen nur dazu geboren, sich und anderen die Ehre zu erweisen und mit Liebe und Hingabe Vergnügen zu bereiten.

Ach!

Da führt Krenstetter seine Partnerin im Kreis, während er selbst auf dem Platz elegant stehen bleibt. Ihr Bein ist derweil in der Arabeske auf exakte neunzig Grad ausgestreckt – und eigentlich ist es anatomisch total schwierig, dass er sie dennoch, ohne bemüht zu wirken, leichthin mit den Fingern dirigieren und halten kann.

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Tänzelnd auch beim Applaus: Rainer Krenstetter und der schöne Rücken von Tricia Albertson nach dem „Midsummer Night’s Dream“ in Berlin. Foto: Gisela Sonnenburg

Aber er macht es!

Und Rainer Krenstetter erweist sich schon mit dieser einen Figur als ein Tanzpartner de luxe, wie es weltweit nur wenige gibt. Viele Stars sind an derlei seltenen Exzessen choreografischer Fantasien schon angeeckt, was man ihnen im Zweifelsfall auch mal nachsehen kann, denn Ballett ist ja kein Sport und auch kein technischer Wettbewerb.

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Rainer Krenstetter und Tricia Albertson vom Miami City Ballet – im Kostüm der „Tarantella“ von George Balanchine, dessen Stil sie exzellent und dennoch mit viel Spielfreude beherrschen! Foto: Gisela Sonnenburg

Aber zu sehen, dass diese komplizierte Fantasie Balanchines funktioniert, dass sie Harmonie und Größe birgt und aus dem tanzenden Pärchen ein haarfein aufeinander abgestimmtes Duo für die Ewigkeit macht – das ist schlichtweg grandios.

Der Ausdruck insgesamt dieses Paartanzes ist aber auch schwebend – und reißt einen gedanklich mit, in himmlische Höhen.

Die Schlusspose dann ist eine der schönsten und originellsten der Ballettgeschichte.

Sie liegt dazu erst zu seiner rechten Seite, dann zu seiner linken im Cambré in seinen Armen, ihr Kopf neigt sich rückwärts dem Boden zu, die Arme sind über dem Kopf gerundet erhoben.

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Erhabenes Blau: Applaus für „A Midsummer Night’s Dream“ von George Balanchine, getanzt von Tricia Albertson und Rainer Krenstetter vom Miami City Ballet. Foto: Gisela Sonnenburg

Die Linien sind rund, ihr Rücken ist ganz weich und stark nach hinten gebeugt.

Nicht wie bei Petipa, wo sie wie ein Brett ganz steif scheint. Hier ist sie ihrem Mann ganz und gar ausgeliefert, aber er missbraucht dieses Vertrauen nicht.

Sondern er hält sie wie eine junge Birke, er lässt sie ihre ureigene schöne Form finden, er ist derjenige, der hier die Linienführung verantwortet.

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Rainer Krenstetter nach der „Tarantella“ von Balanchine bei „Malakhov & Friends“ – wow! Foto: Gisela Sonnenburg

Es ist ja die Geschichte des Herrscherpaares aus dem „Sommernachtstraum“, die hier dargestellt wird.

Der Mann hat darin schon eine ganze Menge an Erfahrungen durchgemacht – und sie hat einige heftige Ängste auszustehen gehabt.

Doch jetzt sind sie sich einig, sind beide im gleichen Ausmaß verliebt ineinander – und werden für den Rest ihres Lebens voraussichtlich zusammen sein.

All das liegt in diesen Schlussmomenten des Pas de deux, jede Sekunde Bewegung und Pose darin drückt dieses Zusammenfinden zweier Schicksale aus.

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Tricia Albertson beim Applaus nach der „Tarantella“ von Balanchine. Yeah! Foto: Gisela Sonnenburg

Oh! Man möchte dieses Bild der beiden immerzu vor Augen haben… so romantisch und doch exakt ist diese Pose. Danke, Tricia Albertson und danke, Rainer Krenstetter!

Die Musik von Felix Mendelssohn Bartholdy wurde von George Balanchine aber auch en detail ausgelotet und manchmal durch die tanzenden Körper ergänzt und konterkariert, oft aber auch illustriert.

Da sieht man, was Ballett kann: Der Genius der Tänzer trifft ungehemmt auf das Genie des Choreografen, welches wiederum tiefsinnig auf das Genie des Komponisten referiert.

Oh!

RainerTriciaPor--„Keep calm“, „Ruhig bleiben!“, heißt es dann nach munterer Walzermusik von Johann Strauß in der Choreografie von Vladimir Varnava. Victoria Brileva und Fedor Murashov vom Mariinsky Theater in Sankt Petersburg zeigen ein komisch-brillantes Stück, das als Beitrag zum Spiel der Geschlechter zu verstehen ist.

Hier tragen beide, Mann und Frau, blau-weiße Röcke, eine Fliege am Hals – und Schnurrbärte!

Erst als drittes Geschlecht kann dieses Paar etwas miteinander anfangen, hüpft zünftig beglückt miteinander im Quadrat – ein Tanz für den karnevalistischen Geschmack.

Aber dann! Mizuka Ueno vom Tokyo Ballet legt eine „Carmen“ hin, wie sie im Bilderbuch der schwarzen Romantik steht.

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Mizuka Ueno vom Tokyo Ballet beherrscht Rollen wie die Femme fatale „Carmen“ aus dem Effeff… sehr sexy! Foto vom Applaus: Gisela Sonnenburg

Im kurzen Fransenrock entfaltet sie in der Choreografie von Alberto Alonso eine derartige Verve, ein sexy Temperament, das man sie als eine einzige erotische Herausforderung beschreiben muss. Wow! Echt heiß. Und echt modern!

Die Musik stammt denn auch nicht nur von Georges Bizet, sondern auch von Rodion Shchedrin.

Vladimir Malakhov, der beim Tokyo Ballet künstlerischer Berater und also auch Coach ist, hat hier fantastische Arbeit mit Mizuka geleistet!

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Mizuka Ueno im „Carmen“-Kostüm: Die Ballerina aus Tokio hat so viel Pep! Foto vom Applaus: Gisela Sonnenburg

Es brodelt denn auch im Publikum.

Ha! Und dann kommen Lucia Lacarra und Marlon Dino!

Diese beiden Weltstars mussten soeben das Bayerische Staatsballett zu Gunsten freiberuflicher Tätigkeit verlassen – weil der kommende Münchner Ballettdirektor Igor Zelensky keinen Begriff von echter Ballettkunst, sondern nur von Ballett als Zirkus hat.

Jetzt bewiesen Lacarra-Dino mal wieder, dass sie es nicht nötig haben, darüber zu weinen.

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Lucia Lacarra und Marlon Dino – das Publikum tobte jedes Mal, wenn sie aufgetreten waren, als sei es völlig ausgehungert nach diesem Anblick. Foto vom Applaus: Gisela Sonnenburg

Welche Grandezza die zwei verströmen, wenn sie tanzen!

In „Spiral Twist“ von Russell Maliphant, zu einschmeichelnder Musik von Max Richter, agieren sie so organisch und harmonisch, als seien sie zusammen geboren worden und seither nie getrennt worden.

Als habe man sie gepaart, kaum dass sie atmeten. Atmen!

Sie atmen unhörbar, aber ganz sicher zusammen, wenn Lucia an Marlons starken Armen hängt, so leicht wie ein Blatt am Baum.

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Ein bildschönes Paar und als Duo im Ballett so einmalig wie heiß begehrt: Lucia Lacarra und Marlon Dino. Foto vom Applaus: Gisela Sonnenburg

Die schlängelnden Bewegungen dieser zierlichen Femme fatale evozieren eine Sinnlichkeit, die selbst im Spitzenklassetanzbereich äußerst selten zu finden ist.

Marlon dann als kräftiger, aber auch faunischer Partner verkörpert dazu eine ganz eigene Delikatheit.

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Hand in Hand beim Applaus: Lucia Lacarra und Marlon Dino. Muss man da noch was zu sagen? Foto: Gisela Sonnenburg

Die Süße von Lucia Lacarra und die Schärfe von Marlon Dino sind einfach das Beste, was eine Gala heutzutage haben kann!

Lacarra ist ja nicht umsonst diejenige lebende Primaballerina, die bislang am meisten Ehrungen, Titel und Auszeichnungen erhielt.

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Mit einer Grazie und einer Herzlichkeit ohnegleichen: Lucia Lacarra und Marlon Dino beim stürmischen Applaus. Foto: Gisela Sonnenburg

Mit Marlon Dino, ihrem zweiten Ehemann und Vater ihrer Tochter, fand sie den optimalen Tanzpartner, der sie künstlerisch wie persönlich ergänzt.

Die zwei strahlen wie kostbare Diamanten, die man zu einem blendend schönen Schmuckstück verbandelte.

Vladimir Malakhov und Diana Vishneva beim Applaus nach ihrem Auftritt mit Hans van Manens Parodie "The old Man and Me". Wowowow! Foto: Gisela Sonnenburg

Andächtig knien sie, La Lacarra und Il Dino, während das Publikum tobt, vor Enthusiasmus. Foto vom Applaus: Gisela Sonnenburg

Eine solche Liebe zu sehen und zu fühlen, ist an sich schon Glück.

Wenn es sich dann noch um so gelungene, atemberaubende Choreografie handelt wie hier, kann man eigentlich nur noch applaudieren, applaudieren, applaudieren… was auch so geschieht.

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Beim Schlussapplaus gab es Primaballerinen neben Primaballerinen zu bestaunen… in der Mitte: Lucia Lacarra. Foto: Gisela Sonnenburg

Ob sie nun hoch auf seinen Schultern thront oder ob sie sich am Boden wälzen, ob sie um ihn geringelt ist oder ob er sie auf seinen starken Armen trägt – die zarte Lacarra und der baumstarke Dino sind das Paar des zeitgenössischen Balletts schlechthin.

Zelensky muss neidisch auf die beiden sein (auch er war ja mal Ballerino), weil er nicht alles getan hat, um sie in seine neu geformte, russisch überformte Compagnie vom Bayerischen Staatsballett einzubinden.

Eine andere Erklärung fällt mir momentan nicht ein.

Bei der Gala im Admiralspalast reiht sich derweil ein weiteres Perlchen in die kostbare Collierkette. „Le Corsaire“!

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Denis Rodkin – vorbildlich im Großen Pas de deux aus „Le Corsaire“. Kein Wunder, der Primoballerino kommt vom Bolschoi aus Moskau… Wir werden wohl noch viel von ihm hören. Applaus-Foto: Gisela Sonnenburg

Ja, der große Pas de deux, der in so vielen unterschiedlichen Interpretationen seit Rudolf Nurejew auch die westliche Ballettwelt immer wieder aufs Neue emphatisch begeistert.

Das Bolschoi Ballett ist hier natürlich eine hervorragende Adresse, um dieses Stück virtuose Klassik einzustudieren.

Und Denis Rodkin, einer der sprungstarken Größen vom Bolschoi, ist hier selbstredend keine Enttäuschung.

Die sinnenhaft charmante Julia Stepanova als seine Partnerin (Stepanova erhielt vor zwei Jahren eine Preisehrung von der Malakhov Foundation – völlig zu Recht) passt mit ihrer durchaus auch kräftigen Tanzkunst hervorragend als Medora dazu.

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Ein Highlight, bei dem alle sich gern verausgaben: Denis Rodkin und Julia Stepanova in „Le Corsaire“ im Admiralspalast in Berlin. Applaus-Foto: Gisela Sonnenburg

Ach, was für Highlight-Sprünge! Rodkin absolviert alles so passioniert, so exakt, so unschuldig-rein!

Und Stepanova hat Power, sie ist keine, die alles mit sich machen lässt – und als Medora braucht es ein so starkes Rückgrat, sonst ist die Rolle der in ihrer Freiheit bedrohten jungen Frau nicht glaubhaft. Sehr schön!

Der Saal tobt, und eigentlich will niemand aufstehen, obwohl andererseits eine kleine Erfrischung ganz sicher das Vergnügen noch steigern wird.

Nach der Pause fetzt es denn auch so richtig! „Tarantella“ in der Choreografie von George Balanchine ist ja viel zu selten in Europa getanzt, vielleicht, weil es so knifflig und vertrackt und schnell ist.

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Tricia Albertson und Rainer Krenstetter: stolze, schöne Tänzer aus den USA, die Balanchines „Tarantella“ einfach toll draufhaben. Hier beim jubelnden Applaus… Foto: Gisela Sonnenburg

Der italienisch inspirierte Tanz – wie von der Tarantel gestochen, soll der Name bedeuten – ist an die gleichnamige Folklore angelehnt.

Aber natürlich schuf Balanchine auch hier ein Meisterwerk seines Stils, der Neoklassik – und in blitzschnellen Hüpfern und Battements triumphiert hier die Lebensfreude.

Mit Tambourins wird der Sache nochmals eingeheizt, es ist ja erstaunlich, was Profitänzer mit diesem Musikinstrument alles anfangen können. Ein großes Vergnügen ist das!

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Mit Grandezza: Tricia Albertson und Rainer Krenstetter aus Miami beim Berliner Applaus. Foto: Gisela Sonnenburg

Rainer Krenstetter, köstlich anzusehen mit rotem Tuch im Blondhaar, rast förmlich vor Tanzvergnügen! Heißa! Was für ein Vollblut von Tänzer, und dennoch hat er jene grazile Feinheit, die für Balanchines exquisite Linien immer von Vorteil ist!

Tricia Albertson dann ist ein Fall für sich, weil sie keine Frau für die flüchtige Liebe ist, die erst blendet und dann langweilig wird.

Tricia hat diese Tiefe im Schauspiel, zusätzlich zur Akuratesse ihrer Technik, die Ballett nie einfallslos werden lässt.

Ein Hochkarat an Primaballerina, und zwar ohne Effekthascherei oder aufgesetztes Pathos!

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Tricia Albertson aus Miami nach der Vorstellung von „Malakhov & Friends“, noch im „Tarantella“-Kostüm: erfrischend und sehr ladylike! Foto: Gisela Sonnenburg

Und natürlich beherrscht sie Balanchines Farben von A bis Z, vermag all seine Launen und Stimmungen hervorragend auszudrücken.

Hier ist sie das niedliche, hingebungsvolle, anmutige Mädchen, das sich am Schluss von Kerlemann Rainer Krenstetter packen und einen tollen Kuss auf die Schulterpartie aufdrücken lässt. Jaaaaa!

Vladimir Malakhov und Diana Vishneva beim Applaus nach ihrem Auftritt mit Hans van Manens Parodie "The old Man and Me". Wowowow! Foto: Gisela Sonnenburg

Aber hallo! Was für ein Temperament, in Verbindung mit durchgestylter Choreografie… typisch Balanchine at his best: Tricia Albertson und Rainer Krenstetter. Foto vom Applaus: Gisela Sonnenburg

Krenstetter erlaubte sich zuvor mit lässiger Gestik kurze „Aussteiger“ aus der Tanzrolle, in denen er für Momente locker dasteht, um dann erneut mit Verve in die Ballettposen einzusteigen.

Solche ironischen Brechungen sind wie Tüpfelchen auf dem „i“, und sie adeln einen Ballerino als so selbstbewusst wie um seiner selbst bewusst, dass man schon von auch schauspielerischer Höchstleistung sprechen muss.

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Beglückend: Tricia Albertson und Rainer Krenstetter vom Miami City Ballet, nach der knifflig-köstlichen „Tarantella“ von Balanchine. Applaus-Foto: Gisela Sonnenburg

Wir danken diesem flotten, unnachgiebig großartigen Paar aus den Staaten aufs Herzlichste! Wann ist Balanchine schon mal so sauber und zugleich so seelenvoll zu sehen? Eben!

In Europa so gut wie nie, und auch in den USA gibt es meines Wissens nach keine Interpreten, die so frisch und versiert zugleich den großen Taktiker der Moderne (also Balanchine) darzubieten wissen.

Nochmals Dank an Rainer Krenstetter und Tricia Albertson.

„Dream“, „Traum“-haft, das passt aber auch Emi Hariyama, derweil dieses Avantgarde-Künstlerin etwas ganz anderes macht als klassisches Ballett.

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Erfreute mit ungewöhnlicher Avantgarde: Emi Hariyama, die früher beim Staatsballett Berlin tanzte, nach ihrem „Dream“ im Berliner Admiralspalast. Foto: Gisela Sonnenburg

Zu Klängen von Jules Massenet lässt sie ihre weiße Maske erst fallen, als sie im weißen Seidenkleid überm Tuturock (ein sehr extravagantes, auch rührendes Kostüm) bereits den Charakter ihrer Rolle klar gestellt hat.

Diese junge Frau hier lebt einsam, aber edelmütig, sie geht einem Traum nach, der ihr vieles abverlangt – und für den sie vieles aufopfert.

Sie beginnt am Boden links, mit dem Rücken zu uns sitzend, und endet in der rechten hinteren Ecke, stehend, gehend, in die Zukunft laufend.

Zuvor fand sie ein Paar Spitzenschuhe, die sie anzog, um darin höchst modern zu trippeln und tapern – die dünnen Ärmchen von Emi und ihr im Bühnenlicht bildschönes Gesicht sind Ausdruck der Bezugnahme auf den „Sterbenden Schwan“, jenes Synonym für Gala-Ballett, ohne das es ja eigentlich gar keine Ballett-Galas geben kann, insgesamt als Spezies gesehen.

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Die Moderne einer Ballerina, die so solistisch wie eine Ausdruckstänzerin arbeitet: Emi Hariyama. Applaus-Foto: Gisela Sonnenburg

„Inner“, von Daichi Uematsu von der Budapester freien Györ Dance Group getanzt, ist dann einer anderen Richtung des zeitgenössischen Tanzes zu geordnet: Mit Lichtspendern in den Handflächen wuselt und wickelt sich der schöne Manneskörper durch das Halbdunkel der Bühne, erleuchtet vom Tanz und belebt von den Rhythmen der körperlichen Wiederholung.

Na, zu sehr ins Abstrakte sollte Tanz aber nicht gehen, dann könnte er beliebig werden. Flugs also zurück ins Szenische, und „Cheek to Cheek“, „Wange an Wange“, von Roland Petit ist da nach dem Song von Irving Berlin genau das Richtige, um Charme und Paartanz zusammen zu bringen.

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Noch einmal Emi Hariyama nach ihrem „Dream“ beim Applaus, aus dem sie ebenfalls eine Performance zu machen weiß. Wunderschön! Foto: Gisela Sonnenburg

Mizuka Ueno (Tokyo Ballet) und Luigi Bonino (freier Seniortänzer und Choreograf) legen da eine so flotte Sohle aufs Parkett, dass man sofort mit ihnen in die nächste Bar flüchten möchte oder wenigstens barfuß im Sand tanzen mag.

Yeah, das Jazzige der Choreografie und der Musik mischt sich hier mit dem Gentleman-Gestus von Bonino (wirklich sehr apart!) und der absolut tollen Erotik von Mizuka, die ja bekanntlich die heißeste Carmen der Welt ist, zumindest an diesem Abend.

Hohe Beine, exakte Passés, auch in den Piqués sauber und herzhaft – das ist hingegen Mika Yoshioka vom Béjart Ballet Lausanne, die mit Galiotto Mattia noch einmal eine Kostprobe der hintergründig-lasziven Kunst von Maurice Béjart. Im schwarzen Abendglamourkostüm bestechen die beiden kurz und heftig mit einem kleinen getanzten Ritt ins Verruchte – na, das ist so etwas wie ein, na, Sie wissen schon, auf tänzerisch.

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Mizuka Ueno, hier noch einmal im „Carmen“-Kostüm, liegt das Laszive in jeder Ausprägung. Foto vom Applaus: Gisela Sonnenburg

„Pas de deux de Chéreau et Mishima“ heißt dieser Paarritt, Pardon, Paartanz übrigens.

Oh, und dann kommt die Dramatik ins Spiel. „Macbeth“, dieses düster-machtlüsterne Werk Shakespeares inspirierte den einstigen Bolschoi-Superstartänzer Vladimir Vasiliev zu einer Choreografie, die alle Qualitäten des Bolschoi zusammen fasst und eindeutig in der Schule von Juri Grigorovich steht.

Aber auch John Neumeier und seine Pas de deux aus der „Artus-Sage“ könnten hier Pate gestanden haben.

Und: Man ist begeistert. Julia Stepanova und Denis Rodkin tanzen in rot-mittelalterlichen Wamskostümen unnachahmlich „it’s Bolshoi!“, und dafür würde man so Einiges auf der Welt einfach nur vergessen wollen.

Die Lady umgarnt ihren Mann, der zu Beginn einsam ist und Sorgen hat, und sie schafft es, ihn mit akrobatisch-geschmeidigen Posen zu verwirren und zu betören.

"Malakhov & Friends 2016" machte glücklich

Denis Rodkin nach seiner Darstellung von „Macbeth“ – sehr interessant! Foto: Gisela Sonnenburg

Ach! Auch das ist Liebe, auch das ist etwas, das einen mitreißt und glauben macht, dass in allen Menschen, so böse sie als Mörder in der Theaterszene auch dastehen mögen, immer auch etwas Gutes wohnt.

Die blutrünstige, machtgeile Lady und ihr armer Gatte Macbeth, sie sind Opfer, sie sind Verführte, sie können nicht anders, sie stehen unter großem Druck – die Interpretationen von Julia und Denis sind durchaus modern und heutig, und man ist geneigt, sie als Erklärungsmuster für das Attentat auf den Bolschoi-Chef vor einigen Jahren zu nehmen.

Wie anders und doch ähnlich mutet dagegen der „Panaderos“-Paartanz aus „Raymonda“ an! In herrlichen rot-schwarz-silbernen Kostümen zeigen Victoria Brileva und Fedor Murashov vom Mariinsky Theater, was Marius Petipa sich dabei dachte, als er sein letztes großes Ballett in eine fast monströs große Hochzeitsfeier münden ließ.

Es geht hier um das, was wir heute „Multikulti“ nennen, und das auch im 19. Jahrhundert auch schon eine wichtige Rolle spielte. Zumal unter den schönen Künsten, zumal an den Theatern!

"Malakhov & Friends 2016" machte glücklich

Spanisch im russischen Ballett: „Raymonda“ mit Victoria Brileva und Fedor Murashov vom Mariinsky Theater in Sankt Petersburg. Flirrend, so ein Temperament! Foto vom Applaus: Gisela Sonnenburg

Denn wie Petipa, der aus Paris nach Sankt Petersburg kam, gab es auch damals schon Arbeitsmigration und Gastarbeitertum, und auch, wenn der Fremde zum Chef aufstieg und hoch geachtet wurde – immer wieder wurde ihm wohl bewusst, dass er nicht daheim war, dass er immer ein Stück weit ein Außenseiter bleiben würde.

Wie wichtig da die Integration und die Toleranz sind, das wird Marius Petipa im Laufe seines Lebens und gerade gen Ende seiner Amtszeit als Chef des Marientheaters (Mariinsky Theaters) erfahren haben.

Die Folklore – das „Andere“ als Sinnbild – spielt hier denn auch eine implizit große Rolle, und temperamentvoll wie ungarischer Paprika rollt sich denn auch das choreografische Tableau von „Raymonda“ ab.

Warum sollten nur Spanier wild und stolz sein? Warum sollte nicht auf Russland Elemente des Flamenco in der Tanzkunst lieben und beherrschen?

"Malakhov & Friends 2016" machte glücklich

Man liebt sie alle, jede und jeden auf eine bestimmte Weise. Die Stars von „Malakhov & Friends 2016 – Classic and Modern“ beim Applaus… Foto: Gisela Sonnenburg

Eben. Dieser wirbelnde Paartanz mit verschiedenen folkloristischen Elementen ist märchenhaft in seiner glamourösen Komposition – und das Sankt Petersburger Paar vermittelt eine Ahnung von hoher russischer traditioneller und kultivierter Lebensart, die man in Mitteleuropa sonst ganz sicher nicht so einfach mitbekommt.

„Light Rain“ in der Choreografie von Gerald Arpino ist dann noch so ein Highlight, für das manche Fans so ziemlich alles tun würden.

Ein Paradestück des verehrten Duos Lucia Lacarra und Marlon Dino – mit zackigen, die Gelenkigkeit der Lacarra aber geschmeidig betonenden Paarbewegungen. Typisch ist vor allem ihr Vornüberbeugen des Rumpfes, auf den Spitzenschuhenspitzen stehend – während er sie in der Taille hält und führt. Wow!

"Malakhov & Friends 2016" machte glücklich

Hier im Kostüm von „Spiral Twist“: Marlon Dino und Lucia Lacarra beim tosenden Applaus… Foto: Gisela Sonnenburg

Der Titel „Leichter Regen“, man ist versucht, frei „Sommerregen“ zu übersetzen, wird zu Beginn illustriert von den flatternden Fingerbewegungen der beiden Protagonisten, die dann in ein Cambré der Dame, übers Knie gehalten vom Herrn, übergehen.

Penché auf Spitze, am Ende liegt sie auf seinen Armen parallel zu ihm, achach, es ist so unglaublich modern und doch so ästhetisch, dennoch zeigt es all die Schönheiten und auch Komplikationen, die eine Liebesbeziehung so haben kann, wenn sie anheimelnd und fruchtbar wie eben leichter Regen ist.

Das Publikum ist nicht mehr zu halten. Es gibt Jubelstürme über Jubelstürme – seit dem ersten großen Applaus, den Rainer Krenstetter und Tricia Albertson für ihren „Sommernachtstraum“ zu Beginn des Abends ernteten, wuchs die Begeisterung stetig.

Vladimir Malakhov und Diana Vishneva beim Applaus nach ihrem Auftritt mit Hans van Manens Parodie "The old Man and Me". Wowowow! Foto: Gisela Sonnenburg

Vollendet majestätisch. Lucia Lacarra beim Applaus im Berliner Admiralspalast. Foto: Gisela Sonnenburg

Und jetzt der absolute Höhepunkt: Vladimir Malakhov und Diana Vishneva in Hans van Manens Stück für Senior Dancer „The old Man and Me“, dieser absurd-lustigen, traurig-grotesken, witzig-charmanten, dennoch bodenlos berührenden getanzten Glosse auf die Liebe zwischen Mann und Frau im vorrückenden Alter.

"Malakhov & Friends 2016" machte glücklich

Das Publikum raste vor Begeisterung: Lucia Lacarra und Marlon Dino nach „Light Rain“ im Berliner Admiralspalast. Foto: Gisela Sonnenburg

Der Vorhang geht auf. Da steht er, lässig, cool, etwas grimmig: Malakhov, mit seiner überwältigenden Bühnenpräsenz, die Daumen in die Hosentaschen versenkt, die Schultern hängend wie bei einem gealterten Lehrkörper. Szenenapplaus! Ach, Berlin liebt ihn so. Vladimir, wir haben dich so vermisst, du schöner Mann! Wie das Scheinwerferlicht dir gut zu Angesicht steht!

Andächtig lauschen wir der Stille.

Er wechselt aber nur mal eben den Standfuß.

Vladimir Malakhov und Diana Vishneva beim Applaus nach ihrem Auftritt mit Hans van Manens Parodie "The old Man and Me". Wowowow! Foto: Gisela Sonnenburg

Diana Vishneva, zart und zurückhaltend und trotz ihres Status als Ikone des Balletts sehr bescheiden… Applaus-Foto: Gisela Sonnenburg

Es ist zum Ausrasten, so faszinierend! Diese Spannung, diese Erwartung, und als Diana Vishneva wieder und wieder versucht, diesen nicht mehr ganz jungen, mürrischen, auch verunsicherten Mann mit tollen Wiegeschritten und Hüftschwüngen verliebt zu machen, unverdrossen, noch einmal und noch einmal – da weiß man plötzlich, was der Sinn des Lebens ist und wie mühsam er doch ist und wie unermüdlich man sich an ihn halten muss, auch wenn der Erfolg nicht immer so sein wird wie erwünscht.

Schließlich ringt Diana ihrem Vladimir ein kleines, müdes Lächeln ab, auch ein Lächeln seines Körpers.

Vladimir Malakhov und Diana Vishneva beim Applaus nach ihrem Auftritt mit Hans van Manens Parodie "The old Man and Me". Wowowow! Foto: Gisela Sonnenburg

Vladimir Malakhov – Berlin liebt ihn! Und er Berlin! Und wie! Nach „Malakhov & Friends 2016 – Classic and Modern“ im Berliner Admiralspalast. Applaus-Foto: Gisela Sonnenburg

Oh, und er bewegt sich!

Endlich schafft sie es, ihn betörend weiterhin anzutanzen und dafür auch kleine Belohnungen zu erhalten. Sie ist schlau und verwickelt ihn in tänzerische Gespräche.

Dialoge von Tiefe und Erbarmen entstehen. Nähe.

Sie im violetten Samtkleid, bodenlang, er im bordeauxroten Wams mit glänzenden Knöpfen – doch, sie wären schon ein prima Pärchen.

Aber beide haben den Sommer des Lebens ja deutlich hinter sich. Da traut er sich jetzt nicht. Ihr Mut reicht dennoch für zwei.

Sie blasen einander pantomimisch auf, als seien sie Plastikfiguren. Es ist so absurd, so witzig, aber so stimmig. So fühlt es sich an, in so einer Situation. Man gibt an, man will wenigstens wer sein, Respekt ist da fast wichtiger als sinnliche Attraktivität. Als er wie ein Muskelmann dasteht, zieht sie imaginär den Stöpsel raus – zzzzzzzh, er kreiselt, als treibe ihn die entweichende Luft trudelnd durch den Raum.

"Malakhov & Friends 2016" machte glücklich

Vladimir Malakhov und Diana Vishneva beim Applaus nach ihrem Auftritt mit Hans van Manens Parodie „The old Man and Me“. Wowowow! Foto: Gisela Sonnenburg

Solche Gags sind Hans van Manen nicht von ungefähr eingefallen. Er hat das Leben und seine feinen Unwegbarkeiten gründlich beobachtet und dann in künstlerische Metaphern umgesetzt.

Schön sind auch jene Passagen, in denen es den beiden verhinderten Liebenden gelingt, ein Stück des Lebensweges doch noch gemeinsam zu gehen.

Vladimir und Diana tanzen das, als seien sie in Wirklichkeit auch ein Paar. Da steht keine Fremdheit zwischen ihnen, sie können das: Von jetzt auf gleich eine Beziehung aufbauen. Große Bühnenkünstler, beide – und Vladimir Malakhov leuchtet von innen, er atmet die ganze Bühnenatmosphäre, er ist einfach nur da, als verkörpere er die gesamte lebende Menschheit.

Aber das späte Glück der beiden van Manen’schen Figuren hält nicht an. Was Vishneva an großartig zurückgenommener, dennoch wirkungsvoller Weiblichkeit auch zu geben hat – die Choreografie schreibt Trennung vor.

Das Licht geht aus. Als es wieder angeht, ist Malakhov einige Schritte weiter von Vishneva entfernt. Erneut geht es aus. Es geht an – und die Entzweiung der beiden ist offenbar.

Schließlich steht er weit links, abgewandt von ihr, sie weit rechts, hoffnungslos.

Vladimir Malakhov und Diana Vishneva beim Applaus nach ihrem Auftritt mit Hans van Manens Parodie "The old Man and Me". Wowowow! Foto: Gisela Sonnenburg

Diana Vishneva und Vladimir Malakhov beim Schlussapplaus. Gefeierte Weltstars! Mit Seele, noch mehr als nur Glanz! Foto: Gisela Sonnenburg

Dann geht das Licht an – und die Bühne ist leer, bis auf die Bank, auf der die beiden zeitweise schäkerten und flirteten, und nur etwas Nebel erfüllt noch den Raum. Ein Traum ist vorbei, aber ein anderer wird dafür beginnen…

Der Beifall tost, lange, es gibt Jubelrufe schier ohne Ende.

Und dann hält Vladimir Malakhov eine kleine Rede, er sagt, dass er sich sehr freut, nach zwei Jahren zurück mit „Malakhov & Friends“ in Berlin zu sein.

„Für dich, Berlin!“

Wie er das sagt, geht es so zu Herzen. Hier und da werden Tränchen verdrückt oder auch geweint. Auch auf der Bühne.

Und er macht uns, beim zweiten Abend der Gala, Hoffnung auf eine Fortsetzung im kommenden Jahr.

„Liebes Publikum, für dich!“

Vladimir Malakhov und Diana Vishneva beim Applaus nach ihrem Auftritt mit Hans van Manens Parodie "The old Man and Me". Wowowow! Foto: Gisela Sonnenburg

Er hat Licht, er hat Herz, er hat Verstand, er hat Passion, er hat Gefühl, er hat Mut – und so viel Talent wie andere im kleinen Finger nicht: Vladimir Malakhov, Gründungsintendant des Staatsballetts Berlin. Nicht nur das Publikum will ihn zurück haben als Ballettboss in der Hauptstadt. Applaus-Foto: Gisela Sonnenburg

Ja, er tut es für uns, das spüren wir. Und alle, die mithalfen, dass diese wunderbaren großen Starabende stattfinden konnten, werden zurecht bedankt. Allen voran Semmel Concerts, die veranstaltende Agentur.

Das Publikum johlt und liefert Standing Ovations, länger als eine Viertelstunde am zweiten Abend, und es ist ganz klar: Man will Malakhov als Ballettchef in Berlin, man will ihn, weil man ihn liebt, ihn versteht, ihn ehrt – ihn und seine Kunst.

Seine Kunst, sie verströmt sein Flair, es ist das der Liebe zu den Menschen.

Und die Zusammenstellung der Gala transportierte all jene Gedanken und Gefühle der Liebe, die wirklich wichtig sind im Leben eines Erwachsenen – und ohne die wir nicht überleben könnten, niemand von uns. Ob wir es zugeben oder nicht.

Vladimir Malakhov hat mit der Neuausgabe von „Malakhov & Friends“ eine grandiose Andacht kreiert, die das Ballett, das Leben und die Liebe gleichermaßen ehrt.

Sie ist glaubwürdig und umarmend, sie ist voller Glanz und hat so viel Seele wie so manches abendfüllendes Ballett nicht mal im Ansatz.

Vladimir Malakhov und Diana Vishneva beim Applaus nach ihrem Auftritt mit Hans van Manens Parodie "The old Man and Me". Wowowow! Foto: Gisela Sonnenburg

Hand in Hand: Vladimir Malakhov und internationale Gala-Gäste, die ihm zu Ehren nach Berlin kamen… Foto vom Applaus: Gisela Sonnenburg

Das ist nicht nur eine Gala, das ist ein Abend über Ballett, eine Collage, ein offenes Drama – mit offenem Ende!

Malakhov ist und bleibt der Gründungsvater vom Staatsballett Berlin, er hat es zu seinem weltweiten guten Ruf geführt. Zehn Jahre lang hat er etwas aufgebaut, so intensiv und erfolgreich, andere hätten dafür mindestens doppelt so lange benötigt.

Dann kam die Politik in Gestalt eines später als Steuersünder entfernten Kulturstaatssekretärs namens André Schmitz – und der wollte „moderneres“ Ballett. Malakhov wurde geschaßt.

Sein Comeback jetzt zeigt, was Berlin verloren hat und was Berlin liebt, in Sachen Ballett.

Es ist unerhört. Vladimir, come back, again and again!

Wie nebenbei bemerkt man, anhand des Beispiels von Vladimir Malakhov, dass in der Organisation unserer Demokratie eine Lücke klafft.

Bei Entscheidungen auf Bundesebene werden zwar Expertenrunden gegründet und eingehend befragt.

Auf der städtischen Ebene jedoch, in der Kulturpolitik vor Ort zum Beispiel in Berlin, werden die Entscheidungen von den Politikern quasi nach Gutdünken gefällt, und das ist offenkundig ein zu hohes Risiko geworden, in dieser komplizierten Welt, da werden zu schnell Falschentscheide durchgesetzt.

Der Fall Malakhov kann von daher nicht zu den Akten gelegt werden.

Vladimir Malakhov und Diana Vishneva beim Applaus nach ihrem Auftritt mit Hans van Manens Parodie "The old Man and Me". Wowowow! Foto: Gisela Sonnenburg

Malakhov wird geliebt – hier beim Applaus nach „Malakhov & Friends“ am 2.9.16 im Berliner Admiralspalast. Foto: Gisela Sonnenburg

Wir müssen daraus lernen. Das heißt: Auch auf städtischer Ebene müssen für wichtige Entscheidungen künftig Expertenrunden gebildet werden, es müssen Meinungen und Argumente eingeholt werden.

Die Stiftung Oper in Berlin, der das Staatsballett Berlin zugehört, ist zudem auch eine Bundeseinrichtung. Man kann sie nicht allein von wenigen, fachlich zumeist unbeleckten Lokalpolitikern gestalten lassen.

Wissenschaftler, Kritiker, Vertreter des Publikums, auch einschlägig versierte kulturelle Vereinigungen wie Fan- und Förderclubs und sogar die Sponsoren sollten künftig das Recht haben, ihre Gedanken offen zu legen und so die Geschicke der Kultur mitzubestimmen.

Es kann nicht sein, dass die Millionen Fördergelder, die vom Volk, also aus den Steuern, stammen, nach Gutdünken und ohne fachkompetente Rückbindung ausgegeben werden.

Das muss rein ins Gebälk der Politik: Subventionierte Kultur sollte von Experten mitbestimmt werden.

Vladimir Malakhov und Diana Vishneva beim Applaus nach ihrem Auftritt mit Hans van Manens Parodie "The old Man and Me". Wowowow! Foto: Gisela Sonnenburg

Vladimir Malakhov und Lucia Lacarra sowie Diana Vishneva – das ist Weltelite des Balletts, was „Malakhov & Friends“ traditionell auffährt! Foto vom Applaus: Gisela Sonnenburg

Also: Ändert die Berliner Verfassung, sie braucht es!

Schafft Organe, die sich für bestimmte einzelne Sachgebiete kenntnisreich einsetzen können. Vor allem für die Kultur in dieser Stadt, die viel zu vielfältig und diffizil geworden ist, als dass wenige Berufspolitiker sie allein sinnvoll handhaben könnten.

Kulturinteressierte, kämpft dafür!

Und außerdem: Holt diesen fabelhaften Vladimir Malakhov endlich zurück auf den Intendantensessel vom Staatsballett Berlin! Er fehlt uns, mehr denn je, denn das, was er macht, ist Kunst und nichts als echte Kunst – und wird Berlin mehr denn je bereichern und beglücken. Amen.
Gisela Sonnenburg

Der Outlook zur Gala mit weiteren Infos und Fotos (auch Szenen-Tanzfotos) bitte hier:

www.ballett-journal.de/staatsballett-berlin-malakhov-and-friends-2016/

 

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