Lust und Widerhall Fotografien fangen Momente ein, die wir nie vergessen wollen – und in die wir uns vertiefen, als stünde die Zeit still. Eine Huldigung in Erinnerung an die „Gala des Étoiles“ 2019 in Luxemburg

Roland Petit, der sinnlichste französische Choreograf, forever: Die „Meditation“ aus „Thais“ ist ein unvergessenes Highlight der „Gala des Étoiles“ 2019, mit Maria Eichwald und Alessandro Staiano. Fotografie: Dave Reuter

Jean Cocteau ist nicht nur für seinen Schönheitssinn berühmt, sondern auch für sein bestes Bonmot: „Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem man uns nicht vertreiben kann.“ Zu Jeans Zeit waren Demenz und Alzheimer übrigens noch kein großes Thema. Aber die Poesie der Gefühle, die sich nur in der Erinnerung mit Noblesse und Tatkraft gleichermaßen vollends entfalten können, findet sich mit hochkarätiger Fotografie bestätigt. Hier, da ist er, dieser besondere Moment, diese besondere Sichtweise, diese Pose, dieser Sprung, dieser Blick, diese Geste… Fans der diesjährigen Luxemburger „Gala des Étoiles“, die unter dem Motto der „russischen Geheimnisse“ stand, wissen, wovon die Rede ist, wenn man den Wunsch beschwört, sich noch genauer und noch genauer erinnern zu können. Darum gibt es hier eine kleine Rückschau an die jüngste „Gala der Sterne“, mit freundlich zur Verfügung gestellten, tollen Fotografien von Dave Reuter und Christian Kieffer.

Damit die Erinnerung wirklich mehr ist als ein „mentales Wiedererleben“, wie Wikipedia es definiert.

Das fliegende Haar, der sinnliche Mund, die betörende Fußhaltung – im Ballett kann jede Kleinigkeit des menschlichen Körpers voller Erotik, voller Spannung, voller Erwartung, voller Versprechen, voller Tragik und voller Hoffnung sein.

In der Erinnerung können sich diese Momente noch potenzieren…

Darum ist der Nachgeschmack eines Balletts so entscheidend.

Die "Gala des Étoiles" besticht mit Brillanz

Pure Magie: Das „Rondo Capriccioso“ von Xenia Wiest tanzte Liudmila Konovalova zur live gespielten Violine von Yury Revich. Erotisch, agrarisch und ergreifend… wie die Fotografie von Christian Kieffer.

Aber Fotografie hat auch einen nostalgischen Aspekt.

Lassen wir es Karl Lagerfeld sagen, er sah es so: „Was ich an Fotos mag, ist, dass sie einen Moment festhalten, der für immer weg ist und den man unmöglich reproduzieren kann.“

Das Einzigartige des Vergangenen ist, was uns berührt, wenn wir in einem Foto förmlich versinken, gedanklich.

Auch spirituell lässt sich der Charme der Erinnerung fasslich machen und bestätigen:

Je schöner und voller die Erinnerung, desto schwerer ist die Trennung. Aber die Dankbarkeit verwandelt die Erinnerung in eine stille Freude.

Sagte der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer, den Hitlers Schergen im KZ Flossenbürg umbrachten.

Wie recht er doch hatte!

Denken wir an ihn, in Dankbarkeit, und denken wir an all jene, die den Zauber der „Gala des Étoiles“ möglich machen.

Die "Gala des Étoiles" besticht mit Brillanz

So klassisch wie herzig: Maria Eichwald und Alessandro Staiano im „Fisch“ in „Cinderella“ – voilà! Die Fotografie stammt von Dave Reuter.

Jahr für Jahr entführt diese nur im Sommer stattfindende Gala in eine Sphäre warmherziger, dennoch brillanter Tanzergüsse, bildet ein Konglomerat aus spritzigen und eleganten, bekannten und auch ganz neuen Feuerwerken der Liebe zum Ballett.

Danke darum an das Team des einzigartigen Georges Rischette, an Natascha Ipatova und Igor Zaprevdin, die für die vorzügliche Direktion, für die Organisation und – mit Ipatova und Zaprevdin– für die künstlerische Leitung der „Gala des Étoiles“ verantwortlich zeichnen.

Danke natürlich auch den Künstlerinnen und Künstlern, ohne die hier kein Hauch einer Erinnerung entstehen könnte.

Danke schließlich an die Fotografen, die all ihre Konzentration in die Waagschale warfen, um uns dauerhaft richtige Erinnerungen zu ermöglichen und sie immer wieder aufzufrischen.

Danke letztlich dem Ballett-Journal, das unter Aufbietung sämtlicher Kräfte all diese Erinnerungen bündelt und öffentlich zugänglich macht.

Die "Gala des Étoiles" besticht mit Brillanz

Oh! Ah! „Le Corsaire“ ist immer wieder unbedingt für neue Entdeckungen von vielen Details gut: Hier Evelina Godunova in den Armen von Francesco Daniele Costa auf der „Gala des Étoiles“, wo Christian Kieffer sie fotografisch so gelungen einfing.

Überlassen wir jetzt das Schlusswort einer romantisch gesonnenen Dame, die wusste, wovon sie sprach:

Das Bewusstsein des Genusses liegt immer in der Erinnerung.

Karoline von Günderrode, die Dichterin, die sich durch besonders großen Freiheitsdurst auszeichnete, brachte das Verhältnis von Lust und Widerhall auf diese einfache Formel.

Kultivierter Widerspruch ist da allerdings erlaubt!

Und wer jetzt das Sehen wie im Garten Eden üben möchte, der schaue sich die Fotos an, wieder und wieder, gründlich und noch gründlicher… und sei sich des Genusses dabei auch in der Gegenwart vollauf gewahr.

Die ungewöhnlichste Primaballerina unserer Zeit, Ketevan Papava, in der Paraderolle von Fanny Elßler als „La Cachucha“. Mehr als nur ein bisschen spanisch… olé! Das rhythmisch bewegte Foto kommt von Dave Reuter.

Bis zum nächsten Sommer! In Vorfreude auf die künftige „Gala des Étoiles“ in Luxemburg, am 4.und 5. Juli 2020.
Gisela Sonnenburg

Zur Rezension: http://ballett-journal.de/luxemburg-gala-des-etoiles-russian-seasons-mystery-2019/

Zum Outlook: http://ballett-journal.de/gala-des-etoiles-russian-seasons-mystery-2019/

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