Hommage an eine große Dame Wiebke Hüster machte ein Buch über die Cranko-Muse, Pädagogin und Ballettdirektorin Birgit Keil

Birgit Keil und Vladimir Klos 1977 in der berühmten “Fisch”-Pose (in der schwierigen Variante) in “Dornröschen”. Foto: Privatbesitz Birgit Keil, aus dem besprochenen Buch

Birgit Keil und Vladimir Klos 1977 in der berühmten “Fisch”-Pose (in der schwierigen Variante) in “Dornröschen”. Foto: Privatbesitz Birgit Keil, aus dem besprochenen Buch

Es ist nicht immer einfach, über einen Star zu schreiben, zumal, wenn man mit diesem auch privat befreundet ist. Wiebke Hüster, Ballettkritikerin der FAZ und Yoga-Lehrerin, hat sich getraut. Herausgekommen ist ein manchmal etwas flappsiger, aber insgesamt unbedingt lesenswerter Band: „Birgit Keil – Ballerina. Glück ist, wenn auch die Seele tanzt“. Kurze Kapitel darin beleuchten Kindheit und Jugend, Partnerwahl und Werdegang der in Sudetenland geborenen, in Stuttgart ausgebildeten Tanzikone. Keil kommt als strebsame gute Seele rüber, als eine brave Karrieristin, deren Oberfläche mit dem, was dahinter steht, nahezu identisch ist. Warum auch nicht.

Was bei all diesen kurzen Textstücken, die hier mehr eine Montage denn eine herkömmliche Biographie abgeben, fehlt, sind konkrete Eindrücke, etwa  von Keils Tanz: Wie legte sie die und die Rolle an, warum war sie so spezifisch auf der Bühne? Keil ist ja nicht nur brav und angepasst, sie wirkt auf mich vor allem auch keck und hat bei aller Distanz, die schon ihre schmal und hoch gewachsene, edle Statur mit sich bringt, eine gewisse Frivolität im Ausdruck. Das schelmische Lächeln, das sie auf manchen Fotos zeigt, passt zu ihr und grenzt sie ab zu allen erhaben-ernsten Ballerinen ihrer Zeit.

Wie das Verhältnis zu ihrem Förderer, dem Stuttgarter „Ballettwundermacher“ und Choreographen John Cranko nun wirklich war und welche Hindernisse es in der Beziehung zu Marcia Haydée, ihrer späteren Chefin, gab, erfahren wir hier nicht. Aber klar wird: Birgit Keil ging stets ihren eigenen Weg, fand immer Lösungen und Kompromisse, wenn andere verzweifelt hätten.

BERÜCKENDE FOTOS

Die Fotos im waschrot eingebundenen Großformatband sind oft berückend: Die meisten Portraits, Backstage-, Tournee- und Bühnenfotos, Urlaubserinnerungen und privaten Schnappschüsse sind de luxe, nur selten banal. Gerade die Mischung aus ungestellten Momentaufnahmen und hochkarätig spekulierten Fotos macht’s, dass man einen Rundum-Einblick ins Leben der Keil gewinnt. En Highlight darin: das Faksimile eines kurzen Briefes des Avantgarde-und Kult-Choreographen William „Billy“ Forsythe an Keil, in dem er ihr seine Verehrung beweist. Da sieht man doch, dass die Ballettwelt zwar inhaltlich weit und groß, personell aber relativ klein und freundlich ist.

Mein Vorschlag: Ein zweiter Band sollte sich dann mal der Arbeit der Keil im Ballettsaal und hinter den Sponsorenkulissen widmen. Wie ist sie denn nun als Pädagogin? Besonders streng? Besonders konservativ? Scheucht sie die jungen Studentinnen täglich auf die Waage? Legt sie besonderen Wert auf bestimmte Techniken oder einen bestimmten Ausdruck? Und wie steuert sie ihre Theaterarbeit? Ihr Mann Vladimir Klos ist ihr sicher eine große Hilfe. Aber reichen die Zeit und die Kraft immer aus? Und wie schafft sie es, ihr kleines, jüngst in „Staatsballett“ umbenanntes Karlsruher Ballettensemble stetig über Wasser zu halten? Sie hat, für ihre Stiftung, eine Mäzenin, die sich auch als solche outet. Aber sonst? Wie ist es, mit Sponsoren und Politikern umzugehen, wenn man eigentlich Küonstlerin ist? Ich könnte mir keine Besseren als Keil, Klos und Hüster vorstellen, um davon erzählt zu bekommen.
Gisela Sonnenburg

Wiebke Hüster: „Birgit Keil – Ballerina. Glück ist, wenn auch die Seele tanzt“, 176 S., etwa 100 Abbildungen, Henschel Verlag, Leipzig, 2014, 29,95 Euro. 

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