Hymne an das Unendliche Weihnachtsimpressionen vom Hamburg Ballett, dem Stuttgarter Ballett und dem Staatsballett Berlin

Weihnachten ist für alle da

Karen Azatyan, hier mit Silvia Azzoni, tanzt und begeistert beim Hamburg Ballett im „Weihnachtsoratorium I-VI“ von John Neumeier. Was für eine festliche und doch fröhliche Stimmung! Foto: Kiran West

Zu Weihnachten herrscht beim Ballettpublikum eine besondere Freude. Nun ist sowieso jede Ballettvorstellung ein Fest für sich. Aber die lichterne Heiligkeit, die die winterlichen Festtage umgibt, verleiht den Aufführungen nochmals einen glitzernden Schimmer von Glück. Wer jetzt nicht ins Ballett geht, findet womöglich nie hinein; wer jetzt keine Lust auf Anmut hat, wird sie wohl niemals entdecken, diese Freude an der passionierten Schönheit des klassischen Tanzes. Beim Hamburg Ballett, beim Stuttgarter Ballett und beim Staatsballett Berlin begeisterten die Körperkünstler mit ganz unterschiedlichen Programmen: in Hamburg mit dem „Weihnachtsoratorium I-VI“ von John Neumeier, in Stuttgart mit den dreiteiligen „Shades of White“ und in Berlin mit dem „Nussknacker“ von Vasily Medvedev und Yuri Burlaka. Was die weihnachtlichen Ballettvergnügungen vereinte? Ihr Streben nach Vollkommenheit, nach Harmonie, nach Ausdruck, auch nach menschlicher Wärme. In Hamburg gab es sogar zehn Minuten lang Standing ovations für das gelungene Gesamtkunstwerk aus Tanz, Ausstattung, Licht, Musik – aber auch in den anderen Metropolen gipfelte die Faszination in frenetischen Applaus.

Beginnen wir den kleinen Weihnachtstripp in Stuttgart. Hier gab es am 23. Dezember 2018 in gleich zwei Vorstellungen etliche Rollendebüts.

Die Erste Solistin Hyo-Jung Kang bewährte sich dabei als souveräne Partnerin von drei männlichen Novizen an einem Tag. Eine Leistung für sich! Yeah, so etwas sollte ins Guinness-Buch der Rekorde!

Wobei einer der Parts auch für sie selbst ein Rollendebüt war, welches sie bravourös bestand. Sie ist ganz sicher eine Ballerina mit hoher Karatzahl, sie hat eine stets überwältigende Schönheit in den Linien und im Bewegungsfluss, wobei ihr Stil schlicht und schnörkellos und dennoch sehr feminin und erotisch ist.

Weihnachten ist für alle da

Primaballerina Hyo-Jung Kang und Debütant Ciro Ernesto Mansilla beim Schlussapplaus nach „Shades of White“. Ein Wow-Paar auf der Bühne! Foto: Boris Medvedski

In der Nachmittagsvorstellung war neben ihr Ciro Ernesto Mansilla, gebürtiger Argentinier mit einer Ausbildung vom Teatro Colón in Buenos Aires, zu sehen. Nein, er war zu bewundern! Er tanzt erst seit diesem Jahr, also seit der Spielzeit 2018/19 beim Stuttgarter Ballett, und zwar im Corps. Dafür hat er aber bereits ganz schön viel Drive in den schönen Beinen, und wenn er springt, so fehlt zwar noch der Ballon, der einem Tänzer die Anmutung des Fliegens, des Verharrens in der Luft, verleiht. Aber weil Ciro Ernesto dank einer exzellenten Technik sehr hoch und sehr weit kommt, ist es absolut spannend, ihn zu beobachten und seine weitere Entwicklung zu begleiten. Als Solor im „Königreich der Schatten“ aus „La Bayadère“ von Natalia Makarova nach Marius Petipa lieferte der bildhübsche Jungspund eine gnadenlos gute Interpretation des untreuen, materialistisch gesonnenen, im Traum aber vollendet hingebungsvollen Liebhabers ab. (Nachtrag d. Red.: Tatsächlich wurde Ciro Ernesto Mansilla am 30.12.2018 zum Solisten befördert. Herzlichen Glückwunsch! Wir freuen uns auf weitere Abende mit ihm!)

Flankiert wurden er und seine Partnerin Nikija, also die superbe Hyo-Jung Kang – die übrigens aus Südkorea stammt, an der John Cranko Schule ausgebildet wurde und seit 2011 Erste Solistin ist – von einem seit der Premiere stark umgestellten Corps de ballet, das sich nicht nachsagen lassen will, es gebe im Schwabenland kein Pariser Flair.

Die Präzision, mit der die jungen Damen den berühmten Aufmarsch der Schatten zelebrierten, war derart akkurat, dass man an das Ballett der Pariser Opéra denken musste. Voilà: Würde und Erhabenheit finden sich in diesem Ballet blanc zu einem meditativen Sog formuliert.

Das Prinzip der Wiederholung als Stilmittel, das etwa bishin zum Schriftsteller Thomas Bernhard in allen Künsten gilt und nicht zu unterschätzen ist, wurde zudem nur selten so markant und wirkungsvoll auf den Punkt gebracht wie in dieser Petipa’schen Choreografie.

Der Wiederholung entgegen steht das Prinzip der Abwechslung. Tamas Detrich, Stuttgarts Ballettintendant, scheut sich nicht, zu zeigen, wieviele junge Nachwuchstalente er gerade in den männlichen Reihen seiner Tänzer zu bieten hat. So gibt er einem weiteren Corps-Ballerino mit hohem Solistenpotenzial Gelegenheit, aufzufallen: Timoor Afshar, in Indianapolis in den USA geboren, besuchte bis 2016 die John Cranko Schule in Stuttgart und ging dann in das Corps über. Den Benno – also den Jugendfreund des männlichen Helden – in Crankos Version vom„Schwanensee“ hat Timoor bereits erfolgreich getanzt.

Weihnachten ist für alle da

Bravos nach der „Sinfonie in C“ beim Stuttgarter Ballett. Fotografischer Blick auf den Schlussapplaus vom 23.12.2018: Boris Medvedski

Jetzt brillierte er im 3. Satz der „Sinfonie in C“ von George Balanchine – und verkörperte die spritzige, „angeknipste“, also fast überdreht-festliche Stimmung des Stücks nachgerade musterhaft. Timoors Grand jetés sind eine wahre Sehenswürdigkeit – mit schönstem Ballon – und dass er auf der Bühne sehr souverän und selbstsicher wirkt, ist natürlich auch kein Schaden. Voilà zum Zweiten: Das kann sich sehen lassen!

Aber auch in der Abendvorstellung gab es Grund zum Staunen: Moacir de Oliveira, jener hoch begabte Brasilianer, dessen Bruder zwei Tage später beim Staatsballett Berlin eine Hauptrolle tanzte, und der seit einem Jahr als Halbsolist beim Stuttgarter Ballett stets sprungbereit auf neue Aufgaben wartet, berückte gemeinsam mit Hyo-Jung Kang im „Konzert für Flöte und Harfe“ von John Cranko. Der junge Mann, ausgebildet an der Schule des Bolschoi in Moskau, hat eine so starke Sprungkraft, die ihn derart leichtfüßig erscheinen lässt, dass man geneigt ist, ihn für einen bereits voll ausgereiften Ballerino zu halten. Tatsächlich war er in Rio de Janeiro bereits Erster Solist, bevor er nach Stuttgart kam. Aber trotz all der scheinbaren Flugfähigkeit darf von Moacir noch viel mehr erwartet werden, fast sieht man ihn schon als den nächsten Prinzen von Detrichs Gnaden. Aber das ist natürlich mehr ein Wunschdenken, und es bleibt abzuwarten, ob und wann es sich in Realität verwandelt.

Dass David Moore in „La Bayadère“ zusammen mit Elisa Badenes – die am 23.12. übrigens Geburtstag hatte, herzlichen Glückwunsch! – absolut begeisterte, mit einem hohen Grad an Lyrik und Poesie im Tanz, war indes keine Überraschung. Die zwei sind ein zuverlässig liebliches Bühnenpärchen, und niemand, der bei Trost ist, würde darüber streiten wollen.

Das ganze Programm findet sich im übrigen auf einen Klick hin hier und hier ausführlich besprochen.

Das weibliche Stuttgarter Corps de ballet übte derweil auch am Abend seinen vollen Reiz als ballet blanc aus – man wird von diesen tanzenden weißen Schatten, die bühnengeschichtlich die Vorläuferinnen der Schwäne im „Schwanensee“ sind, ja immer wieder aufs Neue beglückt! Und gleichermaßen sogar verführt, die Gegenwart nurmehr in solchen magischen Schrittkombinationen gutheißen zu wollen…

Und dafür muss man nicht nach Paris fahren.

Aber vielleicht nach Berlin? Dort gab es zu Weihnachten ebenfalls eine berauschende Doppelvorstellung, und zwar am 25.12.2018, also am Ersten Weihnachtstag: „Der Nussknacker“ in der – weitgehend Petipa-treuen – Version von Vasily Medvedev und Yuri Burlaka riss mal wieder Alt und Jung sozusagen vom Hocker, ließ die gute Laune nachgerade überschäumen und versorgte das Publikum mit einer gerade richtigen Dosis Spaß, die sich aus Keckheit, Mut und romantischem Schauer speist.

"Der Nussknacker" hebt die Stimmung!

Engel von ballettösen Gnaden! Kinder von der Staatlichen Ballettschule Berlin sind auch ganz jung schon sehr professionell – so zu sehen in „Der Nussknacker“ beim Staatsballett Berlin. Foto vom Schlussapplaus: Gisela Sonnenburg

Die rund fünfzig Schülerinnen und Schüler von der Staatlichen Ballettschule Berlin, die hier mitwirken, drehten herzallerliebst auf und trugen maßgeblich zur großen Gaudi bei!

Die Stimmung war gelöst, frei, dennoch souverän – und das Publikum genoss gerade diese Sicherheit der Protagonisten.

Eine besondere Überraschung dabei: Der schöne Giacomo Bevilacqua tanzte wieder – wie schon in der Malakhov-Ära – den aufregenden, lasziven männlichen Part im Danse Orientale. Hui, da stieben die Funken, denn Giacomo ist für diese Rolle wirklich wie gemacht, und er vereint das Lyrische mit dem Exotisch-Erotischen auf eine so natürliche, dennoch akkurate Weise, dass man am liebsten eine neue Disziplin namens männlichen Haremstanz einführen möchte. Bravo!

Und auch Dominic Hodal als Drosselmayer überzeugt, verleiht er der Rolle mit Piratenklappe überm rechten Auge doch ein hintergründig-zauseliges Magierflair.

Technisch bildschön: der federleicht springende, sanftfüßig landende, überhaupt mit großer Sanftmut in der Ausstrahlung gesegnete Brasilianer Murilo de Oliveira (Bruder von Moacir de Oliveira in Stuttgart) als Nussknacker-Prinz, der mit der charmant-quirligen Kubanerin Yolanda Correa als Clara ein ziemlich interessantes Paar bildet, das zudem sehr sauber und sehr exakt tanzt.

Und nur, was die emotionale Beziehung zwischen dem noch kindhaft jungen Fräulein und dem zackig-perfekten Traumprinzen betrifft, sollten die beiden noch etwas nachbessern. Seine Ritterlichkeit sollte ihre Niedlichkeit verehren – und umgekehrt, und die Konzentration auf Präzision darf dabei letztlich gar nicht mehr spürbar sein. Man muss Murilo allerdings seine Jugend zu Gute halten – und Yolanda, dass sie in den wenigen Monaten seit ihrem Arbeitsbeginn in Berlin im Sommer gefühlt bereits das gesamte Repertoire weiblicher Hauptrollen einstudiert und erfolgreich aufgeführt hat.

"Der Nussknacker" hebt die Stimmung!

Herzliche Freude beim Applaus nach „Der Nussknacker“ bei Ksenia Ovsyanick und Dinu Tamazlacaru mit dem Staatsballett Berlin. Foto vom Schlussapplaus: Gisela Sonnenburg

Zum absoluten Dreamteam, was den Berliner „Nussknacker“ angeht, ging es dann aber erst in der Abendvorstellung: Der rundum perfekte Zauber, den der sprungmächtige Starballerino Dinu Tamazlacaru und seine elegant-feminine Bühnenpartnerin Ksenia Ovsyanick erzielen, ist laut gültigem Spielplan auch am morgigen Donnerstag, den 27.12.18, erneut zu erleben (und alle, die ihr Ticket sicher haben, sind darum sehr zu beneiden). Nachzulesen ist über die zwei auf einen Klick hin hier auch gern noch mehr en detail.

Ach, es ist ja so herrlich, wenn das Ballett in diesen Festtagen die Trumpfkarte darstellt! Es scheint, dass sich die Bevölkerung einmal im Jahr daran erinnert, dass es da doch diese fantastische Körperkunst gibt, die Körper, Geist und Seele, die Sehnsucht nach musikalischem und dramatischem Ausdruck gleichermaßen befriedigt.

Von einem Weihnachtswunder kann man zwar auch bei so hervorragenden Besetzungen und Vorstellungen nun nicht sprechen – warum auch, es ist ja gerade das Schöne am Ballett, dass es von Menschen getanzt wird und nicht von klonierten Wunderwesen – aber die Leistungen so mancher Compagnie kommen einem schon manchmal fast unheimlich vor.

Bedenkt man die wechselnden Programme und häufigen Umbesetzungen, die es vielerorts zu besehen gibt, kann man erahnen, wieviel Mühe, wieviel Probenarbeit, wieviele Anstrengungen und auch Verzicht dahinter stecken.

Trotzdem ist es so, dass, wenn man Tänzer fragt, wann sie eigentlich mal so richtig glücklich sind, regelmäßig ihr Bühnentanz genannt wird. Sie bereiten also nicht nur uns ein hohes Vergnügen, sondern – zum Glück – auch sich selbst. Was man in besonders schönen Momenten ja auch sieht und spürt, wobei Glücks- und Kuschelhormone wie Oxytocin in nicht geringen Mengen produziert werden dürften.

So auch in Hamburg, wo am Ersten Weihnachtstag das über dreistündige „Weihnachtsoratorium I-VI“ von John Neumeier zur gesangshaltigen Musik von Johann Sebastian Bach aufgeführt wurde.

Und zwar in einer jungen, erfrischenden Top-Besetzung, die keine Wünsche offen ließ.

Aleix Martínez – dieser exzessiv brillante Spanier, der in der Ballettschule vom Hamburg Ballett – John Neumeier geprägt wurde – brillierte in der Hauptrolle: als Außenseiter, Obdachloser, Retter – und schließlich als weihnachtsseliger, in den Genuss von himmlischem Engelstanz gekommener Renegat.

Zunächst intensiv darstellerisch, gen Ende dann temperamentvoll und ausgelassen zeigte er eine überzeugende eigene Interpretation dieses Parts mit weißer Mütze und übergroßer Schlotterhose, der einst von Lloyd Riggins kreiert wurde und von daher immer eine Spur tragikomisch ist:

Dieses PetruschkaElement, das vom traurigen Galgenhumor bis zur schelmischen Selbstironie reicht, ist im Ballett unverzichtbar, und es gibt nur wenige Tänzer, die es so auf den Punkt zu bringen wissen wie Riggins und Martínez. Schön, wenn man sieht, wie Tänzergenerationen etwas bewahren und doch Eigenes daraus machen können.

Das ist allerdings etwas, wofür das Hamburg Ballett unbedingt gerühmt werden muss.

John Neumeier heiratet Hermann Reichenspurner

Immer wieder schön: ein Freudensprung, wie gemacht für Weihnachten: Lucia Ríos in John Neumeiers „Weihnachtsoratorium I-VI“ beim Hamburg Ballett. Foto: Kiran West

Aber auch Lucia Ríos ist eine Erbauung im Solo-Part der fröhlich Jauchzenden, der Frohlockenden, deren Sprünge und Körperposen derart weihnachtlich im besten Sinn sind, dass sich das ganze Fest der Liebe schon allein dafür lohnen würde! Wunderbar! Es ist jeder zu bedauern, der das nie live gesehen hat – und man kann in diesem Fall nur empfehlen, sich die DVD mit Neumeiers „Weihnachtsoratorium I-VI“ zuzulegen.

Intensiv in der auf jeden Bruchteil einer Sekunde passenden Darbietung ist live in Hamburg Edvin Revazov als Mann der Mutter, also als Josef. Was für eine Spannung geht von ihm aus, wenn er innere Kämpfe mit sich tänzerisch ausficht, weil seine Ehefrau schwanger ist, und zwar nicht von ihm. Auch die spirituelle Botschaft, der er sein Leben mehr oder weniger unfreiwillig widmen muss, trägt sich schwer wie eine Last – und Revazov, dieser virtuose Ballerino, macht daraus ein hochmodernes Tanzdrama.

Sehr ausdrucksstark ist auch Hélène Bouchet, die als Mutter, also als Maria, stets mit sich und ihrem Kind – von einem zusammengelegten weißen Leinenhemd symbolisiert – zu tun hat. Sie umtänzelt das Wesen, das nicht eben ihr Wunschkind ist, sie umsorgt es, sie beschützt es, sie hegt aber auch Beziehungen zu anderen Figuren auf der Bühne, die alle zum Einen eine irdische, zum Anderen eine metaphysische Identität haben.

Da ist der Hirte Karen Azatyan, der in edlem Cremeweiß auch ein Hirte im übertragenden Sinn ist und mit Hélène zauberhafte Pas de deux, voll von raffinierten Hebungen, tanzt. Aber auch mehrfache moderne, diagonal in die Luft gelegte Tours en l’air wirken bei ihm nachgerade göttlich leicht – ein Hinweis auf seine wahre Identität.

Die Engel Emilie Mazon und Alexandre Riabko schließlich berücken mit sinnlicher Finesse und anmutiger Sensualität.

Im zweiten Teil machen die ungewöhnlich sexy einher kommenden drei Weisen (es sind hier keine Könige!) Furore: mit kanonisch eingesetzten hohen Sprüngen, mit denen sie sich vorwärts bewegen, als sei das einfacher als zu gehen oder zu laufen. In bunten Hosenröcken, mit freiem Oberkörper und auch mal mit Sonnenbrille schauen sie aus wie Dreamboys aus einem Fantasialand, sorglos und jede Minute des Lebens genießend. Schöne Weisen! Marc Jubete, Florian Pohl und Lizhong Wang erhellen als solche die Gedanken!

Ein wandelndes Sperrfeuer ist hingegen Matias Oberlin als König (Herodes), der hier im schwarzen Anzug Tango tanzt und auch sonst ziemlich teuflisch-geschmeidig einher kommt.

Er ist hier kein klassischer Kinderjäger, sondern ein tyrannischer Problemmacher, der erst auftaut, als ihn Aleix Martínez mit dem Zeigefinger nach seiner Krone befragt, ihm diese vom Kopf nimmt und sie langsam, aber sicher zusammenknüllt. Was für eine Entjungferung in Sachen Kommunikation!

Das dreiköpfige Echo, getanzt von Mayo Arii, Yaiza Coll und einem bis zum Anschlag begeisterungswürdigen Christopher Evans, irrlichtert galant-geheimnisvoll durch die Szenen.

Diese bestehen aus abwechselnd heiteren und besinnlichen, aus Allegro- und Adagio-Stimmungen.

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Weihnachten oder Nicht-Weihnachten, Flucht, Reise, Wanderung, das Leben ein ständiges Fortgehen, Familienfrieden und Freudentänze satt – wie eine große Weltgemeinschaft rauft sich hier die Menschheit zusammen und zelebriert das Dasein, erfindet sich ihre Zivilisation gleichermaßen neu.

Vladimir Kocic als Straßenkehrer räumt dann mit dem großen Besen beim Kehraus stets einfach mal groß auf.

Aber auch die Musiker sind unentbehrlich in dieser Inszenierung, deren Bühnenbilder mit symbolstarken, abstrakten Einzelbauten von Ferdinand Wögerbauer stammen, deren geschmackvolle Kostüme indes vom choreografischen Genie John Neumeier entworfen wurden.

Spitzentanz ist hierin selten, umso ätherischer wirkt der weibliche Engel Emilie Mazon, wenn sie neben der barfüßigen Maria in Spitzenschuhen schwebt.

Madoka Sugai und Jacopo Bellussi geben ein formidables Paar im durchaus heftig geforderten Ensemble ab. Was ist es doch für ein Genuss, diese beiden anzuschauen, wie sie wirbelig und doch perfekt durchgestylt in ihren Bewegungen Körpersprache formulieren!

Und noch etwas ist zu entdecken: Marcelino Libao (gebürtig auf den Philippinen) besticht – mal wieder – mit seiner immerzu geschmeidig-konzentrierten, niemals vordergründig geheuchelten, sondern immer von innen kommenden Tanzkunst. Man wünscht ihm wirklich deutlich größere Auftritte und auch eine Beförderung, im „Don Quixote“ von Rudolf Nurejew beweist er ja als Solo-Zigeuner, was an seltenen Talenten in ihm steckt.

Dem Ensemble wiederum muss gedankt werden, weil es so anschaulich beweist, auf welch hohem Niveau auch moderne ballettöse Gruppentänze möglich sind.

Und da sind noch die Musiker vom Philharmonischen Staatsorchester Hamburg, die – da nutzte der Dirigent Gianluca Capuano die Gunst der Stunde – ausnahmsweise auch mal einzeln Applaus bekamen. Das Zusammenspiel von den Gesangssolisten (Marie-Sophie Pollak, Katja Pieweck, Wilhelm Schwinghammer und, allen voran und ganz vorzüglich: der Tenor Manuel Günther) mit dem Chor (wunderbar: der Chor der Staatsoper Hamburg), mit dem Orchester und mit den Tänzern führt hier aber auch zu einem harmonisch-dynamischen Gesamtkunstwerk, das nicht nur zur Weihnachtszeit die existenziellen Fragen des Seins aufwirft und Antworten anregt.

Weihnachten ist für alle da

Jedes Detail ist interessant: hier das einer Hebung im Ensemble vom „Weihnachtsoratorium I-VI“ mit dem Hamburg Ballett. Foto: Holger Badekow

Zehn Minuten Standing Ovations waren der Dank des Publikums – und viele gute Gedanken, gute Gefühle, segensreiche Wünsche erfüllten die Luft.

Das Unendliche, dem direkt oder indirekt jede Weihnachtsfeier gewidmet ist, scheint da fast mit Händen greifbar.

Abschließend ein wahres Wort des großen russischen Choreografen Yuri Grigorovich: „Tanz ist die Emotion des Gedankens und der Gedanke der Emotion.“ In diesem Sinne einen schönen Jahresendspurt!
Boris Medvedski / Maria Romanova / Franka Maria Selz / Gisela Sonnenburg

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